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Streit unter Brüdern eskaliert – Messerstecher (19) in Salzburg vor Gericht

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Von: Michael Hudelist

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Sogar ohne die üblichen Handschellen wurde der 19-jährige Angeklagte in den Geschworenensaal geführt, am Ende sprachen ihn die Geschworenen vom Vorwurf des versuchten Mordes frei. © Michael Hudelist

Mit einem Messerstich und einer Notoperation endete Mitte Mai letzten Jahres ein Streit zwischen zwei Brüdern um eine Playstation. Staatsanwalt Thomas Schützenhofer klagte den jetzt 19-jährigen Salzburger deshalb wegen versuchten Mordes an.

Salzburg – Die Geschworenen allerdings sprachen den 19-jährigen am Ende von diesem Vorwurf frei und verurteilten ihn „nur“ wegen absichtlich schwerer Körperverletzung zu einer Haftstrafe von drei Jahren. Davon ein Jahr ohne Bewährung. Ursprünglich forderte ein Gutachter auch eine Einweisung in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher. Eine hohe Gefährlichkeit sah eine zweite Gutachterin nach einem Gespräch im Januar dieses Jahr allerdings nicht. Der 19-Jährige und das Opfer umarmten und drückten sich nach der Einvernahme vor Gericht minutenlang im Gerichtssaal.

Bei der Tat am 11. Mai vergangenen Jahres ist der Angeklagte knapp 18 Jahre alt. Er und seine beiden Halbbrüder wohnen gemeinsam bei der Mutter und den Großeltern. Zwischen dem Angeklagten und dem acht Jahre älteren Halbbruder habe sich ein „erhebliches Konfliktpotential“ aufgestaut. Am Tag der Tat sei es schließlich im Streit um eine Playstation zu einer Prügelei gekommen, die mit einem Messerstich in den Bauch des Älteren endete. „Der Halbbruder hat den Stich nach einer Operation gut überstanden“, so der Staatsanwalt. Bei den Behörden hätten sowohl der Angeklagte, als auch das Opfer erst wenig bis nichts ausgesagt. Erst bei Gesprächen mit Psychologen sei das Eis geschmolzen und der Angeklagte habe eine Körperverletzung als eine Art „Notwehr“ zugegeben. „Insgesamt ist es eine verworrene Geschichte, von versuchtem Mord bis zur schweren Körperverletzung steht alles im Raum, aber ich musste versuchten Mord anklagen“, so der Staatsanwalt zu den Geschworenen.

Ein erster Gutachter hatte beim Angeklagten ein hohes Gefährdungspotential festgestellt und eine Einweisung in eine Anstalt für abnorme Rechtsbrecher gefordert. Ein neues Gutachten vom Januar dieses Jahres sieht diese Gefährlichkeit allerdings nicht mehr, empfiehlt allerdings eine psychotherapeutische Behandlung. Verteidiger Kurt Jelinek schilderte den Lebenslauf des jungen Erwachsenen, der ohne Vater aufgewachsen sei. „Das ist auch sein wunder Punkt, auch darum ist es immer wieder zum Streit mit einem der beiden Halbbrüder gekommen“. Bei einer neuerlichen Prügelei mit dem älteren Halbbruder merkt er, dass er dem körperlich überlegenen Halbbruder unterlegen sein wird. Daher habe er in einer Art Notwehrsituation zu einem Messer gegriffen und habe einmal zugestochen. „Wenn er ihn hätte töten wollen, hätte er öfters zugestochen“, so der Anwalt. Noch am Abend der Tat sei er in seine Kanzlei gekommen und hätte sich dann der Polizei gestellt.

„Es war eine Kurzschlusshandlung“

Der Angeklagte selbst beschreibt das Verhältnis zu seiner Mutter als sehr gut. Mit den Halbbrüdern habe es immer wieder Streit gegeben. Mit 15, 16 Jahren sei er beim Fortgehen in Drogenkreise gekommen. „Die Drogen haben mich dumm gemacht.“ Seine Lehre als Spengler und Lackierer habe er daraufhin nach zwei Jahren abgebrochen. 

Zur Tat selbst meinte der 19-Jährige, der Streit habe sich schon mehrere Wochen lang aufgeschaukelt, „Du bist nicht besser als dein Vater“, soll das Opfer dem Angeklagten an den Kopf geworfen haben in Anspielung auf die strafrechtliche Vergangenheit des mittlerweile in Oberbayern wohnenden Vaters des Angeklagten. „Ich habe meinen Halbbruder nicht verletzen wollen, es war eine Kurzschlussreaktion“, beteuerte der Angeklagte. Das Messer, ein Hirschgeweihmesser von seinem Großvater, sei in seiner Bauchtasche gewesen. Nur Tage vor der Tat sei der Angeklagte auch in einer kleinen Gemeinde in Oberbayern gewesen, um dort seinen Vater zu finden. 

Fehlender Vater Grund für Persönlichkeitsstörung?

Nach einem ersten, negativen Gutachten eines Psychiaters wurde der Angeklagte vor zwei Wochen von Gabriele Wörgötter erneut begutachtet. Sie stellte zum einen auch die Zurechnungsfähigkeit zum Tatzeitpunkt fest, die vom ersten Gutachter geforderte Einweisung in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher sah sie aber nicht. „Aber mit Ängsten und Kränkungen kann er nicht umgehen. Es müsste eine Behandlung geben, weil bereits eine manifeste emotionale instabile Persönlichkeitsstörung vorliegt“, also die Gefahr, dass er bei Stimmungsschwankungen strafrechtliche Grenzen überschreitet. Auf Nachfrage von Verteidiger Jelinek meinte die Gutachterin, dass das Fehlen des Vaters, „also einer männlichen Bezugsperson“, auch für die Persönlichkeitsstörung mitverantwortlich sein könnte. 

Entschuldigung und minutenlange Umarmung

Der acht Jahre ältere Halbbruder, das Opfer, beschrieb das Verhältnis zum angeklagten Halbbruder als normal inklusive üblicher Streits zwischen Geschwistern. Die Äußerungen dem Angeklagten gegenüber – „Du wirst wie dein Vater“ – bezeichnet er jetzt als „provokant“, das Hereinkommen des Angeklagten mit einem Messer am Tattag habe er erst nicht als Bedrohung empfunden. Nach dem Stich habe er zuerst nicht einmal gespürt, wo die Verletzung war.

Am Ende der Einvernahme des Opfers fragte ihn die Vorsitzende Richterin, ob sich der Angeklagte entschuldigen dürfe. Nach kurzem Überlegen willigte der ältere Halbbruder ein, es folgte eine fast minutenlange Entschuldigung, für die Geschworenen und die anderen Prozessbeteiligten unhörbar, die beiden Halbbrüder umarmten und drückten sich und hielten sich minutenlang in den Armen. Auch nach dem Ende der Zeugenaussage und dem Verlassen des Verhandlungssaales gingen die beiden Halbbrüder noch einmal aufeinander zu, umarmten und drückten sich erneut. Der Opferanwalt forderte ein symbolisches Teilschmerzensgeld von fünf Euro, das vom Angeklagten anerkannt wurde.

Geschworene verneinen versuchten Mord 

Beim Schlussplädoyer räumte selbst der Staatsanwalt erneut ein, dass es durchaus „nur“ eine absichtlich schwere Körperverletzung gewesen sein könnte. „Das Opfer hat glaubwürdig die Situation geschildert. Der Angeklagte habe nach einem Stich von weiteren Taten abgelassen. Er hat vor Gericht einen guten Eindruck gemacht und ist reumütig“. Und zu den acht Geschworenen gewandt wiederholte der Staatsanwalt: „Es bleibt ihnen überlasen, ob sie einen Mordversuch oder eine absichtlich schwere Körperverletzung sehen“. 

hud

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