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Münster-Tatort: Eingesessen wie ein altes Sofa

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Von: Sylvia Staude

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Tatort: Lakritz
Tatort: Lakritz - Axel Prahl und Jan Josef Liefers. © WDR/Willi Weber

Der Münster-Tatort macht Dienst nach Vorschrift, nur ein junger Karl-Friedrich überrascht.

Die Tatorte aus Münster haben eine, nennen wir es: Verlässlichkeit erreicht, die es einem erlaubt, zwischendurch wegzunicken – und nach dem Aufwachen kann man der Handlung allemal noch folgen. (Und wenn der Abspann doch schon läuft, wird einem die Frage, wer’s denn nun war, auch nicht den Nachtschlaf rauben.) In einem Fall namens „Lakritz“, der sich übrigens durchaus für Lakritz-Hasser eignet, treten nun erneut Thiel, Axel Prahl, und Boerne, Jan Josef Liefers, gegeneinander und zeitweise sogar miteinander gegen Lakritzvergifter/Ratteneinschleuser/Maschinenstürmer/Erpresser/Haschkeksverkäufer an.

Der Tatort aus Münster ist verlässlich

Thiel und Boerne, der Proll und der Prof, verlässlich auch der Biertrinker und der Weingenießer: Mit einem 1979er Chateau Irgendwas für 1500 Euro klopft Boerne diesmal an Thiels Tür, aber weiß dieser das zu würdigen? Selbstverständlich nicht.

Thorsten Wettcke, Buch, und Randa Chahoud, Regie, sorgen dafür, dass die dickflüssige „Lakritz“ in genau den bewährten Bahnen rinnt, wie es sich für Münster-Tatorte gehört (dies ist schon der 35.!). Thiel missachtet, na klärchen, immer noch den Genitiv: „wegen einem anderen Mann“. Boerne verbessert, na klar, immer noch: „wegen eines anderen Mannes“. Boerne führt Thiel in den Keller zu Krims und Krams aus vielen Karl-Friedrich-Jahren und sagt mit großer Geste: „mein Leben“, Thiel frotzelt: „kalt und feucht“. So kennen wir sie – und viele lieben sie genau deswegen. Denn der Tatort aus Münster ist mittlerweile eingesessen wie ein altes Sofa.

Gesund leben im Tatort Münster

Die Geschichte ist zweitrangig: Der seit 40 Jahren Händler-Geschicke bestimmende Marktmeister liegt tot in seiner Villa (wie konnte er sich die leisten?, das wird nur eine der Fragen sein, die bald verdammt nahe liegen). Die ihn auffindende Angestellte ruft jemanden an und sagt „Er ist tot. Endlich.“ Die Zuschauerin darf sogleich mutmaßen, dass es sich nicht um einen netten Menschen gehandelt hat, und liegt bestimmt nicht daneben.

Indessen ist Thiel bereits gejoggt, bei jungen Läuferinnen abgeblitzt (eher: wurde abgehängt) und macht sich einen Gemüsesmoothie, als das Diensthandy klingelt – er versucht’s mal wieder mit gesund leben. Schade, dass auch in dieser Hinsicht das zu hundert „Lakritz“-Prozent Erwartbare passiert: am Ende wirft der Kommissar die Gurken usw. aus dem Kühlschrank und räumt Wurst-Pakete und Bierdosenmengen ein. Und mit einer langen, angebissenen Wurst lässt sich auch gleich gut vor Boernes Nase herumwedeln: Das ist die Sorte Witz, für die man sich hier keineswegs schämt.

Mathe-Nachhilfe im Tatort aus Münster

Nun, eine Überraschung immerhin haben Wettcke und Chahoud: Der junge Karl-Friedrich war nicht nur ein Genie – das versteht sich von selbst –, er war hoffnungslos verliebt in seine Mathe-Nachhilfe-Schülerin Monika (Jamie Bick), leider aber auch ein hoffnungslos bebrillter Moppel. In Rückblenden in seine Teenager-Zeit sehen wir „Boerne, Karl-Friedrich“ (Vincent Hahnen), wie er sich artig vorstellt, sehen ihn schmachtend und schwer gedemütigt. Der Freund der Angebeteten taucht ihn in flüssige Lakritze – und so entsteht ein Lakritz-Trauma, das filmisch mit dem einen oder anderen braunen Strudel begleitet wird. Kein Wunder, dass der einstige Quälgeist auf Boernes Verdächtigenliste ganz nach vorne rückt. Dies auch gleich für den Tod von Monikas Mutter.

Was noch passiert: Thiel und Boerne sind plötzlich ziemlich beste Freunde. (Keine Sorge, das hält nicht an, garantiert nicht bis Folge 36.) Der Papa des Kommissars verkauft Drogen an Senioren. Und warum auch nicht. Boerne busselt „Alberich“ ab, Christine Urspruch ist zu recht irritiert. Holländer sind undurchsichtig, haben aber hübsche Töchter. Und Staatsanwältin Klemm sitzt künftig auf einem Wissensschatz. Aber wie wir den Münster-Tatort kennen, wird er rein gar nichts draus machen.

„Tatort: Lakritz“, ARD, So., 20.15 Uhr.

Zum Jahresende 2019 läuft ein Tatort aus München: „One Way Ticket“ ist eine ziemlich komplexe, bisweilen leicht überanstrengte, ihre Karten erst nach und nach aufdeckende Geschichte.

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