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München - Ein Medienbericht, wonach die Polizei bei Flüchtlingen in bestimmten Fällen auf Strafverfolgung verzichtet, sorgt für Aufsehen. Wir haben den Präsidenten des Kriminalbeamtenbundes interviewt.
Seit den Silvester-Übergriffen in Köln ist das Thema Flüchtlingskriminalität ein Reizthema. Die Bildzeitung berichtete von einem Leitfaden der Kieler Polizei, in dem bei Fällen der Kleinstkriminalität auf eine Strafverfolgung von Flüchtlingen verzichtet werden soll, wenn die Identität des Täters nicht klar ist. Die Kieler Polizei hat die Vorwürfe zurückgewiesen.
Demnach sei jeder Einzelfall auch zu einer Anzeige gebracht worden, sagte Polizeichef Thomas Bauchrowitz. Zum Thema Flüchtlingskriminalität hat die tz mit Ulf Küch, Vize-Chef des Bundes Deutscher Kriminalbeamter (BDK), gesprochen. In seinem neuen Buch Soko Asyl spricht Küch Klartext:
Ulf Küch, Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK): Das waren die Erfahrungen, die wir hier in Braunschweig gemacht haben. Mit der Vielzahl an Flüchtlingen kamen auch einige mit kriminellen Absichten zu uns ins Land. Das ist im „Welcome-Modus“ ein wenig untergegangen. Genau da haben wir angesetzt und mussten dem Ganzen einen Riegel vorschieben.
Küch: Wir haben beschleunigte Verfahren forciert. Das heißt, dass in diesen Fällen schon nach drei Tagen das Urteil gesprochen werden kann. Das gilt aber nicht nur für Flüchtlinge, sondern für jeden, der eine entsprechende Straftat begeht, bei der ein solches Verfahren zum Einsatz kommen würde.
Küch: Das ist reine Panikmache, mehr nicht! Mit den Flüchtlingen, die aufgrund von Verfolgung oder Krieg zu uns ins Land gekommen sind, haben wir überhaupt keine Probleme.
"Das Ausmaß in Köln war überraschend"
Küch: Das Ausmaß war schon überraschend. Diese Antanztäter, die gibt es überall in Deutschland, das ist bekannt. Die sexuellen Übergriffe allerdings sind vollkommen neu, und darauf müssen wir reagieren. Die
Überführung der Täter wird schwer, da die Beweislage sehr dürftig ist. Zudem gibt es das allseits bekannte Problem, dass auf öffentlichen Plätzen keine Videoaufzeichnung stattfindet – wir wissen also gar nicht, was genau passiert ist. Da ist es auch falsch, der Polizei den schwarzen Peter zuzuschieben.
Küch: Diese Gruppen agieren über Landesgrenzen hinweg und das schon seit Jahren – das ist das Problem. Da kochen dann die Behörden in den Bundesländern ihr eigenes Süppchen. Dadurch wird eine effiziente Tätersuche erschwert. Das muss deutlich verbessert werden, denn es stellt sich wirklich die Frage, ob diese Kleinstaaterei noch zeitgemäß ist.
Küch: Nein, natürlich nicht, und das habe ich auch in meinem Buch geschrieben. Kriminelle Völker gibt es nicht! Wenn ich in China was klaue, hauen die mir auf die Finger. Das machen die in Casablanca auch und auch in Kairo bekomme ich Ärger. Es geht um normales Verhalten, das weltweit so ziemlich gleich ist. Was sich hier einige bei uns herausgenommen haben, ist eine Unverschämtheit und nebenbei natürlich strafbar.
Küch: Das ist doch gerade das Absurde an der Geschichte. Die Familie meiner Frau kommt aus Bayern. Wenn einer von denen hier in Braunschweig ein Auto aufbricht, dann würde doch auch keiner sagen: Ah, die Bayern mal wieder. Das ist vollkommener Unsinn. Es geht dabei um etwas anderes und das ist viel gefährlicher.
"Die Debatte geht zu Lasten der Flüchtlinge"
Küch: Ganz genau. Es geht darum, dass da eine politische Suppe gekocht wird. Und zwar zu Lasten der Flüchtlinge. Das darf nicht sein. Mit Flüchtlingen haben wir – da kann ich jetzt für Braunschweig sprechen – keinerlei Kriminalitätsprobleme. Diejenigen, die mitgereist
sind und auch niemals Asyl bekommen werden, sondern nur aus krimineller Absicht bei uns im Land sind, die machen Probleme. Und das auch schon seit Jahren. Jetzt auf die Menschen einzuprügeln, die wirklich Asyl benötigen und alles verloren haben, das ist einfach nur schäbig!
Küch: Ich habe mit Kollegen aus dem ganzen Bundesgebiet gesprochen und der Tenor ist eindeutig. Ein großer Anstieg ist nicht zu verzeichnen. Natürlich werden wir unter dem Strich ein paar Straftaten mehr haben, aber wir haben auch eine Million Menschen mehr!
Küch: Durch Duldung haben wir es geschafft, dass sich Menschen, die auch schon integriert sind, in der Gesellschaft verselbstständigt haben. Da gibt es Familienclans, die gar eine eigene Rechtsprechung haben. So etwas ist eine indiskutable Situation, da muss nachgebessert werden, ansonsten driften wir immer mehr in eine Parallelgesellschaft ab.
Interview: Dominik Laska