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„Eskalationsschritt mit Symbolkraft“: Bundeswehr-Experte wird bei Leopard-Lieferung deutlich

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Von: Bedrettin Bölükbasi

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Wird Deutschland mit der Lieferung von Leopard-Panzern zur Kriegspartei? Gegenüber Merkur.de bewerten Experten die Lage um den Panzer-Durchbruch.

München – Lange wurde diskutiert und gezögert, doch nun ist die finale Entscheidung gefallen: Deutschland will in einem ersten Schritt 14 Leopard-Kampfpanzer des Typs 2A6 aus den Beständen der Bundeswehr in die Ukraine liefern. Das hatte Regierungssprecher Steffen Hebestreit in einer Mitteilung angekündigt und Kanzler Olaf Scholz (SPD) später im Bundestag bestätigt.

Dabei droht Moskau immer wieder unverhohlen den Ländern, die Waffen an die Ukraine zu liefern. Propagandisten des Kreml befürworten sogar Angriffe direkt auf die Territorien dieser Länder. Die Begründung: Mit den Lieferungen an das ukrainische Militär mache man sich selbst zur Kriegspartei. „Die Waffenlieferungen sprechen für eine direkte Beteiligung am Konflikt“, sagte Kreml-Sprecher Dimitri Peskow am Donnerstag (26. Januar) auf einer Pressekonferenz.

Die Regierung will eine Kompanie mit dem Waffensystem ausstatten.
Deutschland will die Ukraine mit Leopard-Kampfpanzern versorgen. (Archivbild) © dpa

Leopard-Lieferung: Experte sieht völkerrechtliche Handlung – „auf keinen Fall Kriegspartei dadurch“

Diese Behauptung aus Russland deckt sich allerdings nicht mit dem Völkerrecht, findet Prof. Dr. Stephan Stetter von der Professur für Internationale Politik und Konfliktforschung an der Universität der Bundeswehr in München. Im Gespräch mit Merkur.de von IPPEN.MEDIA schilderte er die völkerrechtliche Lage um die Panzer-Debatte. Ihm zufolge wird Deutschland mit der Lieferung von Leopard-Kampfpanzern nicht zur Kriegspartei. Es mache keinen Unterschied, ob Deutschland Panzer ausliefern würde oder die militärische Ausbildung von ukrainischen Soldaten vorantreibe. Schließlich gebe es die russischen Drohungen schon seit Kriegsbeginn.

„Man wird auf keinen Fall Kriegspartei dadurch, weil Deutschland etwas macht, was sich ganz auf dem Boden des Völkerrechts bewegt“, so Stetter. Deutschland und weitere Nato-Staaten wie die USA und Polen würden einen Staat, „der ohne Rechtfertigung angegriffen wird“, lediglich bei der Selbstverteidigung unterstützen. „Und die Selbstverteidigung ist ein unveräußerliches Recht, das ein Staat hat, der angegriffen wird“, erklärt Stetter gegenüber Merkur.de.

Während Russland gegen das Völkerrecht verstoße, erfülle Deutschland sogar „eine Pflicht aus dem Völkerrecht, einem angegriffenen Staat zu helfen“. Dadurch werde man auch rein rechtlich nicht zur Kriegspartei, stellt der Experte fest und zieht an dieser Stelle einen Vergleich zum Gesamtverlauf des Kalten Krieges: Auch damals seien Waffen geliefert worden, wobei man aber nicht zur Kriegspartei geworden sei. Bisher habe Berlin keine Schritte unternommen, die Deutschland zur Partei im Ukraine-Krieg machen würden.

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Leopard-Kampfpanzer im Ukraine-Krieg: Experte begründet mit „veränderter Kriegsführung“

Zudem verweist Stetter auf eine Veränderung der Lage im Angriffskrieg von Kreml-Chef Wladimir Putin. „Die Panzer, die jetzt geliefert werden, sind eben auch ein Ergebnis davon, dass Russland weiter eskaliert und den Krieg nicht beendet“, unterstreicht der Experte und fügt hinzu: „Insofern verändert sich dann auch die Art der Waffen, die geliefert werden.“ Das hänge mit den Entwicklungen vor Ort, wie zum Beispiel einer „veränderten Kriegsführung“ zusammen. „Aber dadurch wird man auf jeden Fall rechtlich nicht zur Kriegspartei“, betont Stetter erneut.

Auch das Nato-Mitglied Türkei beliefert die Ukraine mit Waffen, dabei in erster Linie mit bewaffneten Drohnen. Dennoch bezeichnete Moskau die Türkei bisher nie als Kriegspartei. Russland habe sicherlich ein Interesse an der von Staatschef Recep Tayyip Erdogan angestrebten regionalen Vermittlerrolle der Türkei, begründet Stetter dies. Daher politisiere Moskau die Drohnenlieferungen nicht.

„Mit Blick auf den Nato-Beitritt von Finnland und Schweden tritt ja die Türkei auf die Bremse“, erklärt Stetter weiter. Auch Ungarn habe die Mitgliedschaft der Skandinavier noch nicht ratifiziert. „Russland hat von Ungarn zum Beispiel, dass die Sanktionen in der EU langsamer vorangehen, als ohne Ungarn“, hebt der Politikwissenschaftler hervor. Daher attackiere Russland Ungarn und die Türkei außenpolitisch nicht, obwohl sie zu westlichen Bündnissen gehören.

Leopards für die Ukraine: Mehrere Länder liefern Panzer an Kiews Militär

Deutschland hingegen liegt laut Stetter besonders im Fokus von Russland, da etwa die Panzerlieferungen politisch umstritten seien. „Das kriegt Russland natürlich mit und versucht, dann an dieser Stelle reinzugehen“, unterstreicht der Experte im Gespräch mit Merkur.de.

Daher sei es für die Bundesregierung und Bundeskanzler Scholz auch gut, „dass es jetzt sehr viele Staaten sind, die diese Panzer liefern“. Auch die USA wollen sich mit Abrams-Panzern beteiligen. So verteile sich die Last auf mehrere Schultern, weshalb es für Russland schwerer werde, ein einzelnes Land „herauszupicken“.

Ukraine-Krieg: Ex-Oberst zeigt sich besorgt – „Deutschland nimmt ganz klar Partei“

Allerdings blicken nicht alle sorgenfrei auf die Entwicklungen. Oberst a.D. Ralph D. Thiele vom Institut für Strategie-, Politik-, Sicherheits- und Wirtschaftsberatung (ISPSW) nimmt eine alarmierende Position zu den Panzerlieferungen ein. „Deutschland ist in diesem Konflikt nicht neutral, sondern nimmt ganz klar Partei für die Ukraine“, äußerte er sich gegenüber Merkur.de in einer schriftlichen Stellungnahme. Deutschland unterstütze die Ukraine „humanitär, wirtschaftlich und inzwischen auch massiv mit Waffen“.

Skeptisch zeigt sich Thiele mit Blick auf völkerrechtliche Argumente: „Da der Krieg in der Ukraine nicht von Völkerrechtlern geführt wird, sondern von Soldaten, ist die völkerrechtliche Situation vielleicht als Rechtfertigung nützlich für die Binnendiskussion in Deutschland.“ Die Lieferung von Leopard-Panzern sei jedenfalls „nicht nur ein weiterer Eskalationsschritt“, sondern „zugleich auch von einer erheblichen Symbolkraft“.

Ex-Oberst warnt im Ukraine-Krieg vor „vertikaler“ und „horizontaler Eskalation“ durch Putin

Faktisch sei für die Sicherheitslage in Deutschland ausschlaggebend, „wie Putin dieses deutsche Engagement bewertet“. Putin habe jetzt nicht nur die Option einer „vertikalen Eskalation durch einen nuklearen Erstschlag“, warnt der Militärexperte. Seine Hyperschallwaffen würden es ihm ermöglichen, „in jede europäische Hauptstadt den Regierungschefs eine Bombe auf den Schreibtisch zu legen, ohne dass sie sich davor schützen können“. Sogar die USA hätten nicht nur selbst keine Hyperschallwaffen, sondern könnten sich auch nicht dagegen schützen.

Hinzu habe der Kreml-Chef auch die Möglichkeit, „den Krieg horizontal auszuweiten“. Hier spricht Militärexperte Thiele von „Sabotageakten, Angriffen auf kritische Infrastrukturen, Cyberangriffen und größere Informationskampagnen in unseren sozialen Netzwerken im Kontext einer hybriden Kriegsführung“. In seiner Botschaft richtet er auch einen indirekten Appell an die Ampel-Koalition: „Unsere Bevölkerung sollte sich darauf verlassen können, dass die Regierung alles unternimmt, dass es weder zu einer vertikalen noch zu einer horizontalen Eskalation kommt.“ (bb)

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