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Regierungskrise in Italien: Draghis Rücktritt schürt Angst vor der neuen Eurokrise

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Von: Sebastian Horsch

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Mit dem Rücktritt von Mario Draghi droht Italien in schweren Zeiten politisches Chaos. In Europa wachsen damit auch die Sorgen, dass eine neue Eurokrise ausgelöst werden könnte.

Rom/München – Mario Draghi macht gute Miene zum bösen Spiel, als er am Donnerstag in die Abgeordnetenkammer kommt. Unter teils stehenden Ovationen schüttelt er Hände seiner Kabinettsmitglieder – es hat alles von einem Abschied. „Manchmal kommen auch die Herzen von Zentralbankern zum Einsatz“, witzelt der 74-Jährige berührt vom Applaus und dankt den Parlamentariern mit päpstlich ausgebreiteten Händen. Dann geht es schnell: Die Sitzung wird unterbrochen, Draghi fährt zu Staatschef Sergio Mattarella, um seinen Rücktritt als Italiens Regierungschef anzubieten. Und das Staatsoberhaupt nimmt ihn diesmal an.

Regierungskrise in Rom: Italien droht das politische Chaos

Italien droht damit politisches Chaos. Mattarella löste noch am Donnerstag das Parlament auf, damit gibt es automatisch vorgezogene Neuwahlen. Eigentlich hatte Draghi am Mittwoch im Senat einen letzten Versuch gewagt, seine Regierung in dieser absurden Sommer-Krise zu retten. Dann aber kassierte er eine heftige Schlappe.

Draghis Rücktritt könnte umwälzende Folgen für das Land, aber auch für Europa haben. Eine Regierungskrise ist das letzte, was Italien im Moment gebrauchen kann. Nicht nur, weil in der Energiekrise sowie mit Blick auf den Ukraine-Krieg und die Corona-Pandemie auch in Rom wichtige Entscheidungen anstehen. Sondern auch, weil die steigenden Zinsen das hoch verschuldete Italien vor enorme Herausforderungen stellen. Und Draghi war in den Augen vieler genau der richtige Mann, um diese zu schultern. Der ehemalige Chef der Europäischen Zentralbank (EZB) genießt europaweites Ansehen und gilt als Stabilitätsgarant gegen das politische Chaos in Rom. Nun aber ist er selbst genau darin versunken.

Mario Draghi (M), Ministerpräsident von Italien, spricht vor dem Senat in Rom.
Mario Draghi (M), Ministerpräsident von Italien, spricht vor dem Senat in Rom. © Andrew Medichini/dpa

Draghi tritt zurück: Finanzmärkte reagieren nervös - Sorgen um eine neue Eurokrise

Dabei war Italien zuletzt gerade dabei, sich etwas zu erholen. Draghi habe „notwendige Veränderungen durchgesetzt, die das Land dringend gebraucht hat“, sagt CSU-Europapolitiker Manfred Weber unserer Zeitung. Auch die Italiener standen mehrheitlich hinter dem Banker – „Super-Mario“ haben sie ihn genannt. Nun ist für ihn „Game over“. Die Finanzmärkte reagieren bereits hoch nervös. Die Rendite für zehnjährige Staatsanleihen schoss am Donnerstag um zwei Zehntelpunkte nach oben. Seine Schulden werden für den Staat damit teurer.

Was zunächst wie ein rein italienisches Problem klingt, ist genau das nicht – es betrifft womöglich den ganzen Kontinent. „Italien und Europa brauchen schnell Stabilität“, betont auch Europapolitiker Weber. Denn wenn die drittgrößte Volkswirtschaft in der EU in eine Finanzkrise schlittern sollte, geht das am Rest nicht spurlos vorbei. Erinnerungen an die Geschehnisse ab 2010 werden wach, als mehrere EU-Länder – allen voran Griechenland – aufgrund ihrer hohen Staatsschulden in Probleme gerieten. Nun könnte eine neue Eurokrise drohen. Clemes Fuest, Präsident des Münchner Ifo-Instituts, hat bereits im Juni vor einem solchen Szenario gewarnt.

Regierungskrise in Italien als Grund zur Sorge - Eurokrise nicht auszuschließen

Dass es tatsächlich so weit kommt, sei nicht auszuschließen, sagt auch der Schweizer Ökonom Rudolf Minsch dem SRF. Allerdings sei die Situation auch eine andere als 2011. „Italien hat mittlerweile viele Schuldenberge langfristig gebunden. Das heißt, die Probleme der höheren Zinsen kommen nicht unmittelbar auf Italien zu, sondern erst schrittweise.“ Mit einer schockartigen Entwicklung sei deshalb nicht zu rechnen. Trotzdem gebe es Grund zur Sorge. Auch die EZB scheint das so zu sehen, und hat eigens ein neues Instrument ausgetüftelt, mit dem sie Ländern wie Italien notfalls mit Anleihenkäufen helfen kann.

Immerhin: Draghi und sein Kabinett werden bis zur Bildung einer neuen Regierung im November oder Dezember die Amtsgeschäfte erst einmal weiterführen, der international angesehene Römer wird also nicht so schnell von der politischen Bildfläche verschwinden. (S. Horsch, J. Müller-Meiningen, M. Schwarz)

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