Lidl, Netto & Co.: Mitarbeiter packen in ZDF-Doku aus - So mies sind die Arbeitsbedingungen

Der Preiskampf der Discounter ist unerbittlich - dafür müssen die Mitarbeiter offenbar richtig büßen: Eine ZDF-Doku deckt schlimme Arbeitsbedingungen bei Lidl & Co. auf.
Discounter sind beliebt bei den Deutschen: Die günstigen Preise bei Aldi, Lidl & Co. locken jede Woche rund acht von zehn Deutschen in die Filialen. Doch um die Preise so niedrig wie möglich zu halten, müssen die Mitarbeiter offenbar teuer bezahlen.
Lidl, Netto und Norma: ZDF-Doku enthüllt die wahren Zustände hinter den Kulissen
Die ZDF-Doku "Hauptsache billig? – Das System Discounter" deckte am Mittwochabend schlimme Missstände hinter den Kulissen von Lidl, Netto und Norma auf. Die Mitarbeiter sollen ständig am Limit arbeiten, Überstunden am laufenden Band schieben. Ursache: zu wenig Personal bei einem viel zu hohen Arbeitspensum.
Bei Lidl gehe es vor allem um die "Stundenleistung"
Bei Lidl etwa, eigentlich der "Vorzeige-Discounter" in der Branche, der stets um ein gutes Image bemüht ist, gehe es vor allem um sogenannte Stundenleistung. "Die Formel dabei ist: Umsatz durch eingesetzte Mitarbeiterstunden. Diese Zahl zeigt dann die Leistungsfähigkeit einer Filiale", erklärt Wirtschaftswissenschaftler Prof. Tanju Aygün in der Doku. Wenn eine Filiale also mit weniger Stunden mehr Umsatz bewältigen kann, gelte diese als besonders "gut". Ein ehemaliger Mitarbeiter soll dem ZDF berichtet haben, dass es sogar eine interne Rangliste gebe, welche Filiale bei der Stundenleistung besonders gut abschneide.
Um das zu schaffen, würden die Angestellten jedoch oft umsonst arbeiten. Nach zehn Arbeitsstunden müssen sich die Angestellten nämlich offiziell ausstempeln, um keinen Ärger zu riskieren, so der Ex-Mitarbeiter. Doch um das Pensum zu bewältigen, würden sie danach trotzdem weiter arbeiten - bis zu 14 Stunden am Tag.
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Hohe Arbeitsbelastung durch lange Arbeitstage und zu wenig Personal
Auch Netto-Mitarbeiter klagen über ähnliche Zustände: "Wir bekommen vorgeschrieben, wie viel Umsatz wir planen sollen und wie viele Stunden wir dann kriegen", klagt ein Filialleiter in der Doku. "Diese Stunden reichen nicht aus, damit man diese Arbeit bewältigen kann. Also bin ich gezwungen, länger zu bleiben. Die schreibe ich nicht auf - die schenke ich der Firma."
Ellenlange Arbeitstage von zwölf bis 14 Stunden sollen bei Netto vor allem dem knappen Personal und der sogenannten "1:1-Besetzung" geschuldet sein. Heißt im Klartext: Ein Kollege sitzt an der Kasse, ein anderer erledigt den Rest: Regale auffüllen, Pfandautomaten leeren, ans Telefon gehen und die Kasse unterstützen.
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Experiment zeigt enorme Arbeitsbelastung beim Regale einräumen
Die enorme Arbeitsbelastung führe laut der Doku zu Gesundheitsschäden wie Muskel- oder Gelenkschmerzen, Schlaflosigkeit, Nervosität und psychischen Belastungen.
Wie sehr die Discounter-Mitarbeiter unter den körperlichen Anforderungen leiden, soll auch ein Experiment zeigen, dass die Doku-Macher zusammen mit Arbeitswissenschaftler André Klußmann durchführten. Dabei räumte eine ehemalige Verkäuferin Regale ein - verkabelt mit Sensoren, welche unter anderem die Körperhaltung analysierten und die Belastung der Gelenke am Computer darstellten.
Das Ergebnis: Nach 100 bis 200 ausgepackten Kartons landete die Verkäuferin im gelben Risikobereich. Das ständige Knien, Bücken und Über-Kopf-Arbeiten stellt eine enorme Belastung für den Körper dar. Das könne laut Experten über kurz oder lang zu Verschleißerscheinungen in Knien und Schultergelenken führen. Studien bestätigen das Ergebnis des Experiments: Nach diesen seien Muskel-Skelett-Erkrankungen tatsächlich die häufigste Krankheitsursache im Einzelhandel, die jeden vierten Fehltag verursachen. Psychische Krankheiten sollen im Einzelhandel außerdem für jeden sechsten Fehltag verantwortlich sein.
Lidl und Netto dementieren Vorwürfe
Lidl und Netto dementieren jedoch die Vorwürfe der Doku. So schreibt Lidl, nicht erfasste Arbeitszeit widerspreche den Unternehmensgrundsätzen. Netto antwortet, die Gesundheit und der Schutz der Mitarbeiter am Arbeitsplatz hätten höchste Priorität für das Unternehmen, man halte sich selbstverständlich an alle gesetzlichen Vorgaben.
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