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Schülerstreich, Mobbing oder Rassismus? Lehrling wegen Aktion gegen Mitschüler vor Gericht

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Von: Hans Rath

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Autoreifen Nägel
Nägel, die unter einen Autoreifen gelegt wurden, führten zu einer zweitägigen Verhandlung vor dem Amtsgericht Mühldorf. © Hans Rath

Hat der Angeklagte aus Waldkraiburg die Taten begangen oder hat er nicht? Fünf Zeugen wurden gehört und brachten nur wenig Licht ins Dunkel der Beweisführung. Am Ende konnte es nur ein Urteil geben.

Mühldorf - Mit nur einem Verhandlungstermin am Amtsgericht Mühldorf war es im Fall eines 18-jährigen Maurerlehrlings aus Waldkraiburg nicht getan. An Tag eins konnte nicht geklärt werden, was der Angeklagte einem Mitschüler angetan hatte oder nicht. Um weitere Zeugen vorzuladen, setzte Amtsrichter Dr. Christoph Warga einen zweiten Termin an.

Zum Prozessauftakt verlas Staatsanwältin Carolin Regensburger die Anklageschrift: „Am 27. September 2022 zwischen 8 und 10 Uhr beschädigten Sie auf dem Parkplatz der Berufsschule Traunstein das Fahrzeug ihres Mitschülers, indem Sie das vordere Kfz-Kennzeichen abmontierten und dabei die Kennzeichenhalterung beschädigten. Der dabei angerichtete Sachschaden beläuft sich auf 50 Euro. Zusätzlich platzierten Sie noch einen Nagel unter einem Reifen des Autos“. Dies entsprach dem Tatbestand der vorsätzlichen Sachbeschädigung – so lautete auch die Anklage.

Mitschüler war unbeliebt

Der von Rechtsanwalt Axel Reiter vertretene Angeklagte gab zu Protokoll, dass der geschädigte afghanische Mitschüler in der Berufsschulklasse unbeliebt gewesen sei, er habe zum Beispiel mit Werkzeugen nach ihm geworfen. Das Kennzeichen habe er auf dem Pausenhof in einer Mülltonne versteckt, aber inzwischen habe er dem Geschädigten die 50 Euro gezahlt, man verstehe sich mittlerweile wieder gut. Vorsitzender Dr. Warga belehrte den Beschuldigten, dass der Geschädigte die Polizei benachrichtigt habe. Seien die Ordnungshüter einmal eingeschaltet, gebe es kein Zurück, sie müssten in diesem Fall den Sachverhalt klären und ermitteln.

Als Zeuge wurde auch der geschädigte afghanische Azubi gehört. Der 29-Jährige berichtete: „Ein Mitschüler teilte mir in der Pause mit, dass bei meinem Auto das Nummernschild fehlte. Nachfragen des Lehrers ergaben nichts, ich rief die Polizei an. Die 50 Euro habe ich vom Angeklagten nicht bekommen. Das Verhältnis zu ihm war nicht gut, er warf Werkzeug nach mir und rief oft ‚Ausländer raus!‘.“

Wer denn nun mit Werkzeug auf wen geworfen hatte - das konnte im Übrigen im Verlaufe des Prozesses nicht geklärt werden. Hierzu gab es widersprüchliche Aussagen der insgesamt fünf von der Polizei angehörten Zeugen. So blieb Dr. Warga nichts anderes übrig als die Verhandlung zu vertagen.

Fünf Zeugen, unklarer Sachverhalt

Bei der Fortsetzung wurden vier Schüler allesamt Maurerlehrlinge, geladen, die die Übergabe der 50 Euro gesehen haben wollten. Die Anklage am zweiten Prozesstag vertrat Staatsanwalt Alexander Hautz. Die Aussagen der vier jungen Herren waren nicht immer deckungsgleich, was Dr. Warga nach den Vernehmungen so kommentierte: „Mit zunehmender Zeugenzahl wird der Sachverhalt nicht klarer.“

Der erste Zeuge, 20 Jahre, aus Ostermünchen gab an, die Geldübergabe gesehen zu haben. Wer den Nagel unter den Reifen gelegt habe, das wisse er nicht. Der junge Mann wirkte auf das Gericht sehr unglaubwürdig – einmal behauptete er, der Afghane habe den Nagel selbst unter sein Fahrzeug gelegt, dann sei es wieder ein ihm Unbekannter gewesen. Zeuge Nummer zwei, 19 Jahre und aus Aidenbach bei Ampfing, will gesehen haben, wie der Angeklagte die 50 Euro an den Fahrzeughalter ausgehändigt habe. Von dem Nagel habe er nur gehört.

Aussage voller Belastungseifer

Der dritte Auszubildende, 20 Jahre, aus Velden an der Vils hatte von der Geldübergabe nichts mitbekommen, wollte aber den Angeklagten gehört haben, dass er sich selbst beschuldigte, den Nagel unter dem Wagen platziert zu haben. Zu guter Letzt sagte ein aus Reischach stammender Maurerazubi (20) aus. Diesem wurde vom Richter und vom Verteidiger Axel Reiter erhöhter Belastungseifer nachgesagt, weil der Angeklagte ihm damals seine Freundin ausgespannt hatte. Nach seinen Angaben habe der Beschuldigte die Tat verübt und sogar mehrere Nägel unter dem Autoreifen deponiert.

In seinem Schlusswort plädierte Alexander Hautz „nach vielen Zeugen mit mehreren Versionen“ im Fall der Sachbeschädigung auf eine Geldstrafe von 1000 Euro. In puncto Nagel war für ihn keine gesicherte Beweisführung gegeben. Verteidiger Axel Reiter verlangte einen generellen Freispruch für seinen Mandanten, der angerichtete Schaden sei von diesem reguliert worden. Bei dem Nagel oder den Nägeln könnte es sogar der vierte Zeuge selbst gewesen sein.

Am Ende stand der Freispruch

Auch Richter Dr. Warga kam in seinem Urteil zu einem Freispruch. Der Angeklagte habe den angerichteten Schaden wiedergutmachen und das Kennzeichen wieder am Auto anbringen wollen. Dabei sei die Halterung beschädigt worden, allerdings fahrlässig. Und es gebe keine fahrlässige Sachbeschädigung. Im Falle des Nagels gebe es keinen klaren Tatnachweis.

Dieser Freispruch – bei einem Delikt mit 50 Euro Schaden – erspart dem Angeklagten eine Menge Geld. Wäre er verurteilt worden, dann hätte er die Kosten der Verhandlung tragen müssen. Das wäre ihn teuer zu stehen gekommen – allein schon die Kosten der fünf Zeugen hätten eine größere Summe ausgemacht, um hier nur einmal Reisekosten und Verdienstausfall zu nennen.

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