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„Schleichende Entgrünung“: Wie das Waldkraiburger Stadtklima verbessert werden könnte

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Von: Hans Grundner

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Auf Kiesflächen, die ebenso gut begrünt sein könnten, stießen die Teilnehmer eines stadtklimatischen Spaziergangs des Bund Naturschutz wiederholt. Dr. Andreas Zahn, Kreisvorsitzender des Bund Naturschutz (4. von rechts) und Referent Rolf Trenkle (3. von links) warben dagegen für so viel Grün wie möglich im Stadtgebiet und so wenig Versoegelung wie möglich.
Auf Kiesflächen, die ebenso gut begrünt sein könnten, stießen die Teilnehmer eines stadtklimatischen Spaziergangs des Bund Naturschutz wiederholt. Dr. Andreas Zahn, Kreisvorsitzender des Bund Naturschutz (4. von rechts) und Referent Rolf Trenkle (3. von links) warben dagegen für so viel Grün wie möglich im Stadtgebiet und so wenig Versoegelung wie möglich. © Grundner

Im Sommer wird es in den Städten unerträglich heiß. Bei Starkregen kann der Boden die Niederschläge nicht mehr aufnehmen. Fehlentwicklungen und positive Ansätze für eine Verbesserung des Waldkraiburger Stadtklimas wurden bei einem Spaziergang des Bund Naturschutz aufgezeigt.

Waldkraiburg – Im Vergleich zu anderen Städten ist Waldkraiburg „noch immer relativ grün“, findet Rolf Trenkle. Dennoch beobachtet der Lehrer im Ruhestand, der sich seit seiner Diplomarbeit mit Fragen des Stadtklimas beschäftigt, auch hier „eine schleichende Entgrünung“. Bei einem Stadtspaziergang mit dem Bund Naturschutz hat er Entwicklungsfehler aufgezeigt, die zur Aufheizung des Stadtklimas beitragen und bei Starkregen die Aufnahme von Niederschlägen erschweren.

Warum sich Städte so stark aufheizen

Der sogenannte Wärmeinsel-Effekt heizt die Städte auf. Durch hohe Gebäude, fehlende Bäume sowie Straßen und viele versiegelte Flächen kommt es zu einem Hitzestau.
Der sogenannte Wärmeinsel-Effekt heizt die Städte auf. Durch hohe Gebäude, fehlende Bäume sowie Straßen und viele versiegelte Flächen kommt es zu einem Hitzestau. © Klinger

Die stark erhöhte Wärmebelastung in Städten führt längst auch in Deutschland zu Todesfällen. Das hat viele Gründe: Kühlende Luft aus dem Umland dringt oft nur schlecht in die Stadt ein, weil hohe und dichte Gebäude den Luftstrom blockieren. Straßenschluchten wirken zusätzlich als Falle für die Sonnenwärme, weil die Sonnenstrahlen mehrfach zwischen den Hauswänden reflektiert und an den Oberflächen absorbiert werden. Innerstädtische Wärmequellen, Kfz-Verkehr und Gebäudeheizungen, erwärmen die Stadtluft zusätzlich.

Was ein Laubbaum leisten kann

Auf künstlichen Oberflächen wie Straßen oder Hauswände sind die Temperaturen wesentlich höher als auf natürlichen. An einem Hochsommertag kann die Asphalttemperatur über 45 Grad Celsius liegen, während es im Wald keine 30 Grad hat. Ein Laubbaum könne bis zu 400 Liter Wasser an einem heißen Sommertag verdunsten, eine Krone mit einem Durchmesser von 15 Metern 160 Quadratmeter Schatten spenden. Wo innerstädtisches Grün fehle, gebe es folglich wenig Kühlung durch Verdunstung und Schatten.

Negativ-Beispiel: Kaufland-Parkplatz

Um das Stadtklima in Waldkraiburg im Detail zu analysieren, brauche es ein Klimagutachten, Messungen von Temperatur, Wind und Feuchte sowie die Befliegung des Stadtgebiets mit Infrarotkameras, so Trenkle.

Fehlentwicklungen ließen sich auch bei einer Begehung aufzeigen: zum Beispiel am Kaufland-Parkplatz. Als dort die Bäume gefällt wurden, „hätte es einen Aufschrei geben müssen“, findet der Geograf. Die Metalloberflächen der Pkws könnten im Sommer über 50 Grad heiß werden und zu einer erheblichen Erhitzung der Luft beitragen. Mühelos findet er weitere Parkplätze, denen es an Grün und Bäumen fehlt. Der Stadtführer beklagt, dass an zahlreichen Straßen Alleebäume, die manchmal zweireihig standen, verschwunden seien.

Mehr Alleebäume wie in Liszt-Straße

Das fällt ihm nicht nur in der Böhmerwald-, Erzgebirgs- oder in der Egerländer Straße auf. „Es nützt nichts, wenn man einen riesengroßen Park hat“, sagt er und wirbt für „Bäume, Bäume, Bäume“, wo immer es geht, um mikroklimatische Verbesserungen zu erreichen. So wie in der Franz-Liszt-Straße etwa, wo klimawirksame Alleebäume links und rechts des Radweges stehen.

Plädoyer für Dach- und Fassadenbegrünung

„Das schreit geradezu nach einer Fassadenbegrünung“, sagt Dr. Andreas Zahn, Kreisvorsitzender des Bund Naturschutz, der vor einem nackten Gitter an der Hauswand eines Gebäudes im Zentrum steht. Dabei sei der Aufwand gering und brauche wenig Platz. Eine Wandbegrünung, wie sie etwa am Seniorenheim Bayerischer Hof versucht wird, müsste eigentlich längst selbstverständlich sein.

Hoher Anteil von Flachdächern kann zu einem großen Potenzial werden

An den neuen Mehrgeschosswohnbauten in der Reichenberger Straße ist sie das nicht. Trenkle fallen die massive Versiegelung vor den Häusern auf, die zur Überwärmung im Sommer führen, sowie Einfahrten und Deckflächen von Tiefgaragen, die mit Kies bedeckt sind, statt mit Substrat und pflegeleichten Pflanzen. Kiesdächer könnten sich auf bis zu 80 Grad aufheizen, so Trenkle, bepflanzte grüne Dächer erreichen dagegen nur etwa 30 Grad. Der hohe Anteil von Flachdächern in Waldkraiburg sei hier ein großes Potenzial.

Apropos Verdichtung: Die gefällige Bebauung durch die WSGW am Iserring sieht Rolf Trenkle kritisch. Die Durchlüftung des relativ hohen Ensembles sei nicht optimal. „Strahlungstechnisch wirkt das wie ein Kessel.“ Positiv sieht er, dass es zwei Öffnungen von Westen her gibt und eine Grünfläche im Hof, an der Kreisvorsitzender Zahn bemängelt, dass es keine dominante Bepflanzung gebe.

Maßnahmen für ein besseres Stadtklima

Folgende Maßnahmen regt Rolf Trenkle zur Verbesserung des Stadtklimas an. Sie könnten helfen, die Hitzeentwicklung im Sommer zu bremsen und die Gefahr durch Starkregenereignisse zu reduzieren:

• An möglichst vielen Straßen Alleebäume und auf Parkplätzen deutlich mehr Bäume pflanzen.

• Fassaden begrünen, dafür eignen sich etwa Garagenwände.

• Die Dächer begrünen, immer bei Neubauten.

• Grünflächen vernetzen.

• Dichte und hohe Bebauung ohne „Frischluftschneisen“ vermeiden.

• Fahrradwege schaffen, um den Kfz-Verkehr zu reduzieren.

Bund Naturschutz-Kreisvorsitzender Andreas Zahn wirbt dafür, diese Empfehlungen auch in der städtischen Bauleitplanung stärker zu berücksichtigen.

Der Bauamtsleiter: Wohnqualität hat mit Grün zu tun

Das Thema Stadtklima wird in den nächsten Jahren immer wichtiger. Davon ist Carsten Schwunck, Leiter der Stadtentwicklungsabteilung im Rathaus, überzeugt. Er wehre sich nicht gegen ein Klimagutachten. „Im Fokus steht das aber nicht.“ Die Kritik Rolf Trenkles etwa an der WSGW-Bebauung am Iserring hält er für überzogen. Es gebe dort ja eine Öffnung und Durchzug. „Das war auch Thema bei der Planung.“ Von einer „Katastrophe auf Zeit“ spricht er im Hinblick auf die Situation am Kaufland-Parkplatz. Denn: Mitte nächsten Jahres würden mit der Neuordnung des Platzes wieder Bäume gepflanzt.

Ein großes Potenzial sieht der Bauamtsleiter bei der Begrünung von Flachdächern und Fassaden. Darauf werde künftig noch mehr geachtet. Er sieht dafür eine wachsende Akzeptanz bei Bauherren. Gegen die Bürgerschaft lassen sich solche Maßnahmen nicht durchsetzen, glaubt er. Nicht zuletzt wegen des Kontrollaufwands warnt Schwunck davor, zu viele Vorgaben über die Bauleitplanung zu machen. Ziel sei es, auf kleiner Fläche möglichst viel Wohnraum zu schaffen. „Da brauchen wir Qualität, das hat viel mit mehr Grün zu tun.“ Nicht zu verdichten führe zu größeren ökologischen Schäden, weil der Flächenverbrauch steige.

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