Gibt es eine Zukunft für die Strecke Frontenhausen/Marklkofen–Neumarkt-St. Veit?

Seit Jahren liegt die Bahnstrecke Frontenhausen/Marklkofen – Neumarkt-St. Veit brach. Nun klärt eine Anfrage einer Abgeordneten des Bayerischen Landtags auf, welche Voraussetzungen und Möglichkeiten es für eine Reaktivierung der Strecke gäbe.
Neumarkt-Sankt Veit - „Den Streckenzustand in Gänze kennt zuverlässig nur die Rhein-Sieg-Eisenbahn GmbH (RSE) als Pächter und letzter Streckenbetreiber. Nach Einschätzung der Staatsregierung ist die Strecke in einem sehr schlechten, weitgehend abgenutzten Zustand“, so das Bayerische Verkehrsministerium in seiner Antwort auf eine Kleine Anfrage der niederbayerischen Grünen-Landtagsabgeordneten Rosi Steinberger rund um die ehemalige Bahnstrecke. Gleich eingangs betont dabei das Ministerium „Nach dem Grundgesetz ist der Bund für den Schienenpersonenfernverkehr und den Schienengüterverkehr zuständig, die beide eigenwirtschaftlich betrieben werden müssen. Der Bund ist ebenfalls für die bundeseigene Eisenbahninfrastruktur zuständig. Der Erhalt und Ausbau der Schieneninfrastruktur nichtbundeseigener Schieneninfrastrukturunternehmen ist eine freiwillige unternehmerische Aufgabe.“
Personenzugverkehr auf Strecke Frontenhausen/Marklkofen – Neumarkt-St. Veit endete schon 1970
Der letzte reguläre Personenzug, damals noch durch die Bundesbahn, fuhr im Jahr 1970. Da der Schienenpersonennahverkehr (SPNV) auf dieser Strecke schon vor der Regionalisierung eingestellt und kein Bedarf für eine Reaktivierung vorhanden gewesen ist, hat der Freistaat auch mit Übernahme der SPNV-Verantwortung ab dem Jahr 1996 keinen Regionalverkehr auf der Strecke bestellt“, so das Verkehrsministerium. Bis vor der Stilllegung der Strecke waren in der Folge zwei kurze Güterzüge werktäglich zum Transport von Müllcontainern des Abfallzweckverbands auf der Strecke unterwegs. „Es sind nur sechs Anhänger, auf denen der Güterzug die Müllumladecontainer des Abfallzweckverbandes Burgkirchen (ZAS) von Nieder- nach Oberbayern beförderte. Er nutzte bereits am vergangenen Montag die marode Bahnstrecke für die letzte Fahrt“, schrieben die OVB-Heimatzeitungen im Oktober 2017 anlässlich des Aus für die Strecke.
„Wir haben bereits umgestellt auf Lastwagen, weil wir in dieser Woche auch noch mit dem Feiertag konfrontiert waren und den Müll von fünf Tagen auf vier Werktage zu verteilen“, erklärte Rolf Möbus, beim Zweckverband Abfallverwertung Südostbayern zuständig für die Öffentlichkeitsarbeit. Die Containerzüge, die sich noch am Standort Marklkofen befunden hätten, seien bereits in der vergangenen Woche abgezogen worden, auch weil sie an anderer Stelle benötigt worden seien. Der anfallende Müll aus diesem Teil Niederbayerns wird nun also über die Straße zur Müllverbrennungsanlage nach Burgkirchen befördert. Damit halfen am Ende auch Appelle aus der Politik nichts.
„Die Strecke Frontenhausen/Marklkofen–Neumarkt St. Veit ist 2019 auf Antrag des damaligen Betreibers RSE stillgelegt worden“ und habe nun keinen Betreiber mehr, wie auch das Bayerische Verkehrsministerium klarstellt. Dieser Status sei aktuell weiter gültig. Die Strecke sei jedoch noch eisenbahnrechtlich gewidmet, da bisher keine Freistellung von Eisenbahnbetriebszwecken erfolgt sei. „Ob auf einer solchen Strecke ein Zugverkehr stattfindet oder nicht, ist für die Pflichten des Betreibers nicht von Bedeutung“, betont dabei das Ministerium. „Der ehemalige Betreiber einer stillgelegten Bahnstrecke ist verpflichtet, seine Eisenbahninfrastruktur in einem für eine stillgelegte Gleisinfrastruktur ausreichend betriebssicheren Zustand zu halten. Hierzu gehört insbesondere die Kontrolle des ordnungsgemäßen Verschlusses von Weichen und der Funktionsfähigkeit von Gleisabschlüssen sowie des Vorhandenseins der notwendigen Warneinrichtungen, aber auch des gefahrlosen Zustands von Leitungsquerungen, Bahnübergängen und Brücken.“
Aktuell keine Pläne für brachliegende Bahnstrecke bekannt
Über aktuelle Pläne des ehemaligen Betreibers sei nichts bekannt. „Es besteht nach Kenntnis der Staatsregierung derzeit weder das Interesse eines Eisenbahninfrastrukturunternehmens daran, die Strecke Frontenhausen/Marklkofen–Neumarkt St. Veit zu betreiben, noch gibt es Unternehmen, die Gütertransporte auf dieser Schienenstrecke zu Marktkonditionen nachfragen.“ Ausgehend von der zuletzt gefahrenen Menge an Müllcontainern könnten etwa zehn Lkw werktäglich eingespart werden, sollte alleine dieser Zugbetrieb wieder aufgenommen werden.
„Mittel- bis langfristig könnte es dazu kommen, dass aufgrund eines Mangels an Lkw-Fahrern und -Fahrerinnen Engpässe entstehen. Die Staatsregierung versucht, diesem Mangel durch eine Reihe von Maßnahmen entgegenzuwirken. Hierzu zählen unter anderem die Verbesserung der Rahmenbedingungen für das Fahrpersonal, Entbürokratisierung bei Aus- und Weiterbildung sowie die Steigerung der Attraktivität des Berufs insbesondere für Frauen“, räumt das Ministerium ein. „Dieser Mangel könnte nur bedingt durch die Verlagerung von Güterverkehr von der Straße auf die Schiene aufgefangen werden. Lkw sind überwiegend im Kurzstrecken- und Verteilerverkehr unterwegs. Hier ist eine Verlagerung auf die Schiene entweder aufgrund fehlender Anbindung gar nicht möglich oder wirtschaftlich nicht darstellbar. Auch gibt es auf der Schiene momentan zu wenig freie Kapazität, um maßgebliche Teile des Straßengüterverkehrs aufzunehmen.“ Zudem bestünden uach im Schienenbereich die Herausforderungen des Fachkräftemangels.
Eine Förderung der Wiederinstandsetzung sei abhängig vom grundsätzlichen Zweck der Streckennutzung, von der Art der Maßnahme, von der Lage der Strecke und von der Größe und Eigentümerstruktur des jeweiligen Unternehmens. „Da dies in weitergreifenden Programmen erfolgt, gibt es keine zweckbestimmten Summen. Es werden nachfolgend daher lediglich grundsätzliche Förderansätze aufgeführt.“ Die Bahn könne für Strecken in ihrem Portfolio für die Instandsetzung Bundesmittel der aktuell gültigen Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung einsetzen – unabhängig davon, ob die Strecken anschließend im Güter- oder Personenverkehr genutzt werden sollen.
Verschiedene Optionen für Förderung der Instandsetzung
Seit dem Jahr 2020 ist – befristet bis zum Jahr 2030 – grundsätzlich eine Bundesförderung der Grunderneuerung nach dem Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz möglich, wenn die Strecke zur Reaktivierung für den SPNV ertüchtigt werden soll. „Eine Förderung durch den Freistaat ist hierbei nicht möglich.“ Bei Instandsetzungsmaßnahmen im Zusammenhang mit Eisenbahnkreuzungen gibt es zum einen die im Eisenbahnkreuzungsgesetz verankerten Kostenaufteilungen. Zum anderen können nicht-bundeseigene Eisenbahnen bei ihrem Anteil im Rahmen verfügbarer Haushaltsmittel vom Freistaat finanziell gefördert werden, insbesondere wenn es sich um eine Maßnahme zur Förderung des SPNV handelt.“ Gegebenenfalls könnten im Einzelfall auch Instandsetzungsmaßnahmen von der EU gefördert werden, sofern sie in einem Fördergebiet beziehungsweise -korridor liegen und die jeweiligen Fördervoraussetzungen erfüllen.
Die Kosten für eine Instandsetzung könnten seitens der Staatsregierung weder beziffert noch geschätzt werden. „Eine öffentlich-rechtliche Verpflichtung hierzu besteht nicht. Derjenige, der künftig die Strecke wieder aktiv betreiben will oder ein Interesse an der Instandsetzung hat, kann jedoch nach eigener wirtschaftlicher Entscheidung die Strecke wieder in einen betriebsfähigen Zustand versetzen.“ Die Staatsregierung stehe Reaktivierungen von Eisenbahnstrecken für den SPNV aufgeschlossen gegenüber, sofern die Reaktivierung sinnvoll und möglich ist. „Die Beurteilung dieser Voraussetzungen erfolgt anhand von vier Reaktivierungskriterien.“
Freistaat mit Voraussetzungskatalog für Reaktivierung
„Erste Voraussetzung für den Beginn des Reaktivierungsprozesses ist das Vorliegen positiver, schriftlicher Gremienbeschlüsse zugunsten einer Reaktivierung der Strecke durch die Aufgabenträger des ÖPNV.“ Dies wäre die Bayerische Eisenbahngesellschaft. „Für eine sinnvolle Reaktivierung ist immer darzulegen, dass die Anpassung des ÖPNV-Konzepts an einen SPNV-Betrieb einen verkehrlichen Gesamtnutzen für die Region zu erzielen vermag. Dies ist häufig innerhalb einer Region keineswegs unstrittig, da Veränderungen des Nahverkehrskonzepts durch Anpassungsmaßnahmen des allgemeinen ÖPNV oft erhebliche Auswirkungen auf die bestehenden Verkehre und daher für Teile der Bevölkerung auch nachteilige Folgen haben können. Deshalb besteht die Staatsregierung auch auf der Herstellung eines regionalen Konsenses, belegt durch oben genannte Gremienbeschlüsse der betroffenen ÖPNV-Aufgabenträger, die die Reaktivierungskriterien anerkennen und die
notwendige Anpassung des Nahverkehrskonzepts im Falle einer Reaktivierung verbindlich zusichern.“
Die Reaktivierungskriterien des Freistaates lauten:
- 1. Eine vom Freistaat Bayern anerkannte Prognose ergibt, dass eine Nachfrage von mehr als 1000 Reisenden-Kilometer pro Kilometer betriebener Strecke zu erwarten ist.
- 2. Die Infrastruktur wird ohne Zuschuss des Freistaates in einen Zustand versetzt, der einen attraktiven Zugverkehr ermöglicht.
- 3. Ein Eisenbahninfrastrukturunternehmen ist bereit, die Strecke und die Stationen dauerhaft zu betreiben und berechnet hierfür Infrastrukturkosten, die das Niveau vergleichbarer Infrastruktur der DB nicht übersteigen.
- 4. Die ÖPNV-Aufgabenträger müssen sich vertraglich verpflichten, ein mit dem Freistaat Bayern abgestimmtes Buskonzept im Bereich der Reaktivierungsstrecke umzusetzen.
„Bisher liegen dem Freistaat für die Strecke Frontenhausen/Marklkofen–Neumarkt St. Veit keine Gremienbeschlüsse vor. Vorher wird der Freistaat keine Reaktivierungsüberlegungen aufgreifen“, schließt das Verkehrsministerium seine Ausführungen.