Ökostrom nicht um jeden Preis
Neumarkts Stadträtin Johanna Kaltenecker fordert Kriterienkatalog für Solarstrom
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Verlust von wertvollem Ackerboden? Stadtratsgremium sieht Erweiterung der Fotovoltaik-Freiflächenanlage in Grafing skeptisch.
Neumarkt-St. Veit – Alternativen bei der Energieversorgung – seit Beginn des Ukraine-Kriegs geraten solche Diskussionen vermehrt in den Fokus. Im Neumarkter Ortsteil Grafing plant aktuell ein Investor, eine bestehende Fotovoltaikanlage zu erweitern. Doch der Neumarkter Stadtrat hält sich mit einer Befürwortung zurück. Stattdessen fordert er einen Kriterienkatalog, um den Bau von Freiflächenanlagen zu reglementieren.
Anlage soll acht Megawatt erzeugen
Die Grundlage für die Auseinandersetzung mit diesem Thema war ein Antrag auf Bauleitplanung für die Errichtung einer Freiflächenanlage inklusive Änderung des Flächennutzungsplanes und Aufstellung eines Bebauungs- und Grünordnungsplanes. Der Bau- und Umweltausschuss hatte sich bereits für den Bau der Anlage an der Bahnlinie entlang eines Korridors von 200 Metern ausgesprochen. Die Anlage soll acht Megawatt Strom erzeugen können.
Solarstrom ja – aber an der richtigen Stelle
Doch Johanna Kaltenecker (CSU) sah das Projekt kritisch. Sie betonte, dass erneuerbare Energien nötig seien, „aber an der richtigen Stelle“. Auf dem geplanten Areal würde bester Ackerboden verbaut. Deswegen könne sie dem Projekt nicht zustimmen. Sie appellierte hingegen dafür, einen Kriterienkatalog zu erstellen, auf dessen Basis nach einem Punktesystem die Eignung einer Fläche ermittelt werde. Sie brachte dabei unter anderem Hanglage, Bodenqualität oder Anschlussmöglichkeiten, wie sie in Grafing zweifellos vorhanden seien, ins Spiel. „Mit einem Kriterienkatalog hätten wir auch eine Rechtfertigungsbasis und eine Entscheidungshilfe, wenn weitere Antragsteller anfragen würden“, argumentierte sie.
Bürgermeister warnt vor strikten Vorgaben
Bürgermeister Erwin Baumgartner (UWG) warnte zunächst davor, dass man sich damit an strikte Vorgaben binden würde. Stadträtin Monika Eisenreich hingegen hielt den Vorschlag eines Kriterienkatalogs für gut. „Wir brauchen eine Nachvollziehbarkeit unserer Entscheidungen!“, meinte die UWG-Stadträtin. Es würden zwei Herzen in ihrer Brust schlagen. Zum einen hält sie den Ausbau erneuerbarer Energien für sinnvoll. Auf der anderen Seite gefiele es ihr nicht, dass die Freiflächenfotovoltaikanlage an der geplanten Stelle wertvollen Ackerboden zerstöre. Sie könne sich zumindest eine Teilgenehmigung vorstellen, betonte aber, dass besonders in den vergangenen Wochen mit dem Krisenherd Ukraine die Ernährungssicherheit ein anderes Gewicht bekommen habe. Einer „halben Lösung“ erteilte Baumgartner eine Absage. „Da kommen wir in Erklärungsnot!“
„Agri-Photovoltaikanlagen“ ins Spiel gebracht
Heike Perzlmeier (CSU) befürwortete den Kriterienkatalog ihrer Fraktionskollegin, verwies aber auch auf neue Förderprogramme, die bei sogenannten „Agri-Photovoltaikanlagen“ abgeschöpft werden können. Zur Erklärung: Mit Agri-Photovoltaik wird ein Verfahren bezeichnet zur gleichzeitigen Nutzung von Flächen für die landwirtschaftliche Pflanzenproduktion (Photosynthese) und die PV-Stromproduktion. „Da tut sich einiges, das muss man im Blick haben.“ Der geplanten Anlage könne sie aber nicht zustimmen, „wir müssen über den Tellerrand hinaus schauen“.
Drei Fragen von Rosmarie von Roennebeck
Rosmarie von Roennebeck (CSU) stellte in der Diskussion um die Freiflächenanlage drei Fragen: „Wie viele PV-Anlagen wollen wir in unserem Gemeindegebiet insgesamt zulassen? Wie viele Einzelentscheidungen werden wir noch fällen? Und wo könnten diese PV-Anlagen gebaut werden?“ Dies gelte es alles abzuwägen. Einen Kriterienkatalog als Richtschnur sah sie als „ganz gute Lösung“ an. „Es geht nicht an, dass wir das gesamte Gemeindegebiet mit PV-Anlagen zudecken.
Lebensmittel sind wichtiger als Energie
Schon vor der Sitzung hatte von Roennebeck ihre Stadtratskollegen angeschrieben und ihre Argumente zusammengetragen. In diesem Schriftstück, das auch der Redaktion vorliegt, bat sie den Stadtrat, die Abstimmung genau abzuwägen. Denn: „Was hilft uns die Versorgung mit erneuerbarer Energie, wenn es uns an Lebensmitteln fehlt!“ Man könne nicht zulassen, dass Investoren landwirtschaftliche Flächen mitguter Bodenqualität aus dieser Nutzung nehmen und als Geldanlage zur nichtlandwirtschaftlichen Energieerzeugung nutzen.“
Zuletzt meldete sich noch Peter Hobmaier (UWG) zu Wort, der einen Kriterienkatalog ebenso befürwortete, „als roter Faden für unsere Entscheidungen“. Er stellte anschließend den Antrag, den Tagesordnungspunkt abzusetzen. Diesem Vorschlag folgten 14 Stadträte, Ludwig Spirkl (SPD) stimmte dagegen.