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Mühldorfer Laden-Institution schließt nach 40 Jahren: Hier trafen sich Generationen von Musikern

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Von: Josef Enzinger

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Ernst Sirtl hat fast 40 Jahre lang Musikgenerationen geprägt. „Jeden Samstag trafen sich bei mir die Leute, das war wie bei einer Musikerbörse!“
Ernst Sirtl hat fast 40 Jahre lang Musikgenerationen geprägt. „Jeden Samstag trafen sich bei mir die Leute, das war wie bei einer Musikerbörse!“ © Josef Enzinger

Eine Mühldorfer Institution ist Geschichte: Als Klavier- und Cembalobauer-Meister war Ernst Sirtl einst nach Mühldorf gekommen, hat mit seinem Musikgeschäft Generationen von Bands geprägt. Jetzt hat er nach 40 Jahren seinen Laden dicht gemacht.

Mühldorf - Der letzte Gig liegt zwei Tage zurück, der Verschleiß an Drum-Sticks war enorm. Irgendwann haben sich die Trommelstecken der Leidenschaft des Schlagzeugers nicht mehr entziehen können, barsten an den Becken. Ersatz ist gefragt. Und wohin gehen, wenn der nächste Auftritt bereits vor der Tür steht? Natürlich zum Sirtl. Das Mühldorfer Musikgeschäft in der Trausnitzstraße, oben am Ruperti-Gymnasium, ist nur ein kleines Kabuff, versteckt in einem Hof. Doch Musiker aus der Region wussten genau, wo man hin muss, wenn Ersatzteile nötig wurden. Vom Plektrum über neue Basssaiten bis zu Stimmschrauben für das Schlagzeug. Das alles gab es beim Ernst - dazu viele tolle Gespräche über Gott und die Welt. Jetzt hat der Mühldorfer das Rentenalter erreicht. Seit dem 1. Februar ist der Laden zu. Eine Institution, die seit 1985 in Mühldorf fest etabliert war, gibt es nicht mehr.

Danke für 40 Jahre Vertrauen

„Der große Abverkauf geht zu Ende! Nur noch heute und morgen gibt‘s Musikinstrumente und Zubehör zu sagenhaften Preisen.
Dann ist das Musikhaus Sirtl in Mühldorf Geschichte. Ich bedanke mich bei allen Stammkunden für fast 40 Jahre Vertrauen“, es sind nur wenige Sätze, die Ernst Sirtl auf seiner Facebook-Seite gepostet hat. Sie zeugen von der Bescheidenheit des 65-Jährigen, der stets ein offenes Ohr hatte und sich immer Zeit nahm, nicht nur um seine Kunden zu beraten.

Als meisterhafter Klavierbauer nach Mühldorf gekommen

Sirtl ist kein gebürtiger Mühldorfer, er stammt aus Vilsbiburg. Bei der Firma Willis in Landshut hat er Klavierbauer gelernt. Seine Meisterprüfung legte er 1985 ab in Ludwigsburg. Das war dann auch das Jahr, als es ihn nach Mühldorf verschlug, um sich selbstständig zu machen. Der Liebe wegen, sagt er.

Hausbesuche als Klavierstimmer

Mit der Reparatur von Klavieren hat er begonnen, als Klavierstimmer machte er Hausbesuche. Später habe er begonnen, Instrumente zu verkaufen, neben Klavieren auch Gitarren. Und irgendwann gaben sich die heimischen Bands die Klinke bei ihm in die Hand, weil er komplette Bands ausstatten konnte.

Mühldorfs Musikbörse beim Sirtl

Von der Marshall-Röhre über ein Mini-Mischpult bis hin Stimmgeräten: Bei Ernst Sirtl blieb es meistens nicht beim Einkauf. Wer den meist von Zigarettenrauch eingenebelten Verkaufsraum betrat, brauchte sich danach nicht mehr viel vornehmen. Denn immer hatte der Ernst Zeit für einen Ratsch: „Samstags trafen sich Musiker aller Richtungen bei mir. Das war die Musikerbörse schlechthin in Mühldorf. Wer einen Musiker suchte oder eine Band, der wurde bei mir meistens auch fündig.“

Unterwegs mit den unaussprechlichen „Les Papillons“

Sirtl kennt so ziemlich alles, was in den vergangenen 40 Jahren auf den Bühnen rund um Mühldorf stand. Denn dort stand er selbstverständlich auch selbst. Mit 14 Jahren hatte er begonnen, Tanzmusik zu machen. „Damals hat Dich noch niemand gefragt, ob Du schon so lange aufbleiben darfst“, grinst Sirtl. Viele Jahre war er der Mann am Piano, schrubbte auch die Gitarre. Die älteren Mühldorfer können sich noch daran erinnern, dass Ernst Sirtl in die Tasten schlug, wenn er mit der Gruppe „Les Papillons“ unterwegs war. „Das war mit dem Kotschi Harald“, erzählt Sirtl und er lacht: „Den Bandnamen konnte damals niemand aussprechen!“

Mit der Feile die Bünde bearbeitet

Ernst Sirtl begann auch, Gitarren zu bauen. Er erzählt, wie er früher selbst die Feile in die Hand genommen und an den Bünden der Gitarre rumgefeilt hat, „weil sie einfach zu hoch waren. Man probiert einfach rum.“ Irgendwann ist es seine Passion geworden, Gitarren zu bauen und zu verkaufen. „Einzelne Stücke, aber das war nie das große Geschäft!“

Mit einer Echolette hat alles begonnen

In 40 Jahren erlebt man so einiges. Natürlich auch, wie sich die Technik weiterentwickelt hat, vom analogen ins Digitale. „Angefangen hab ich mit einer 4-Kanal-Echolette mit 100 Watt Leistung“, berichtet er. Gebraucht hatte er sich das Teil in seiner Anfangszeit gekauft. Denn das Hobby war teuer. „Die erste Hammond-Orgel, die hat so viel gekostet wie ein neuer VW-Käfer - in der Grundausstattung“, erzählt Sirtl. Das Geld sei die Orgel aber auch wert gewesen, weiß der Klavierbauer, dessen Werkstatt gegenüber seines Ladens zu finden war.

Freilich hatte er sich überlegt, quasi zum Austrag, zumindest die halbe Woche weiterzuarbeiten. Doch zu welchem Preis? Die Werkstattmiete sei das eine. „Aber auch die Nebenkosten kann man sich nicht mehr herein arbeiten.“ Zuletzt habe er monatlich alleine für Gas 350 Euro gezahlt. Die explodierenden Energiepreise bezeichnet er als das i-Tüpfelchen auf den entbehrungsreichen Corona-Jahren, als quasi gar nichts mehr ging. „Ich habe in dieser Zeit alte Klaviere aus dem Lager geholt und instandgesetzt - solange ich Material hatte.“

Gitarren, Djemben, Ersatzteile für Drumsets und E-Pianos: Seit September war Ausverkauf im Hause Sirtl. Seit Februar hat er sein Gewerbe nun abgemeldet.
Gitarren, Djemben, Ersatzteile für Drumsets und E-Pianos: Seit September war Ausverkauf im Hause Sirtl. Seit Februar hat er sein Gewerbe nun abgemeldet. © Josef Enzinger

In den vier Jahrzehnten in Mühldorf reparierte er auch Akkordeons und Hackbretter, legte auch mal an Saxofonen Hand an, wenn eine Klappe klemmte. Und natürlich hat er auch Musiker beraten, wenn es um besonders teure Anschaffungen ging. Er hat dabei auch schlechte Erfahrung gemacht, wenn potenzielle Kunden seinen Expertenrat eingeholt haben, dann aber das Instrument beim Großhändler gekauft haben. „In dem Glauben, dass die billiger sind. Dabei konnte ich zu 90 Prozent die Preise mitgehen“, sagt er heute schulterzuckend. „Man hätte mich nur fragen müssen.“

Und ewig lockt der Fasching

Überhaupt machen es die großen Musik-Versandhäuser den kleinen Musikgeschäften schwer, weil sie mit Geld-Zurück-Garantie und kostenloser Rücksendung locken. „Das ist offenbar auch der Gang der Zeit!“

Apropos Zeit - davon hat er jetzt genug. Seine Pläne? Bergwandern, sagt er, und Radfahren. „Mei, und a bisserl Musik machen“, übt er sich in bescheidener Zurückhaltung. Mit einem Spezl ist er als „Soundedge-Duo“ unterwegs. Gerade jetzt ist er umso mehr gefragt. Schließlich ist Fasching.

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