Dann ist das Musikhaus Sirtl in Mühldorf Geschichte. Ich bedanke mich bei allen Stammkunden für fast 40 Jahre Vertrauen“, es sind nur wenige Sätze, die Ernst Sirtl auf seiner Facebook-Seite gepostet hat. Sie zeugen von der Bescheidenheit des 65-Jährigen, der stets ein offenes Ohr hatte und sich immer Zeit nahm, nicht nur um seine Kunden zu beraten.
Sirtl ist kein gebürtiger Mühldorfer, er stammt aus Vilsbiburg. Bei der Firma Willis in Landshut hat er Klavierbauer gelernt. Seine Meisterprüfung legte er 1985 ab in Ludwigsburg. Das war dann auch das Jahr, als es ihn nach Mühldorf verschlug, um sich selbstständig zu machen. Der Liebe wegen, sagt er.
Mit der Reparatur von Klavieren hat er begonnen, als Klavierstimmer machte er Hausbesuche. Später habe er begonnen, Instrumente zu verkaufen, neben Klavieren auch Gitarren. Und irgendwann gaben sich die heimischen Bands die Klinke bei ihm in die Hand, weil er komplette Bands ausstatten konnte.
Von der Marshall-Röhre über ein Mini-Mischpult bis hin Stimmgeräten: Bei Ernst Sirtl blieb es meistens nicht beim Einkauf. Wer den meist von Zigarettenrauch eingenebelten Verkaufsraum betrat, brauchte sich danach nicht mehr viel vornehmen. Denn immer hatte der Ernst Zeit für einen Ratsch: „Samstags trafen sich Musiker aller Richtungen bei mir. Das war die Musikerbörse schlechthin in Mühldorf. Wer einen Musiker suchte oder eine Band, der wurde bei mir meistens auch fündig.“
Sirtl kennt so ziemlich alles, was in den vergangenen 40 Jahren auf den Bühnen rund um Mühldorf stand. Denn dort stand er selbstverständlich auch selbst. Mit 14 Jahren hatte er begonnen, Tanzmusik zu machen. „Damals hat Dich noch niemand gefragt, ob Du schon so lange aufbleiben darfst“, grinst Sirtl. Viele Jahre war er der Mann am Piano, schrubbte auch die Gitarre. Die älteren Mühldorfer können sich noch daran erinnern, dass Ernst Sirtl in die Tasten schlug, wenn er mit der Gruppe „Les Papillons“ unterwegs war. „Das war mit dem Kotschi Harald“, erzählt Sirtl und er lacht: „Den Bandnamen konnte damals niemand aussprechen!“
Ernst Sirtl begann auch, Gitarren zu bauen. Er erzählt, wie er früher selbst die Feile in die Hand genommen und an den Bünden der Gitarre rumgefeilt hat, „weil sie einfach zu hoch waren. Man probiert einfach rum.“ Irgendwann ist es seine Passion geworden, Gitarren zu bauen und zu verkaufen. „Einzelne Stücke, aber das war nie das große Geschäft!“
In 40 Jahren erlebt man so einiges. Natürlich auch, wie sich die Technik weiterentwickelt hat, vom analogen ins Digitale. „Angefangen hab ich mit einer 4-Kanal-Echolette mit 100 Watt Leistung“, berichtet er. Gebraucht hatte er sich das Teil in seiner Anfangszeit gekauft. Denn das Hobby war teuer. „Die erste Hammond-Orgel, die hat so viel gekostet wie ein neuer VW-Käfer - in der Grundausstattung“, erzählt Sirtl. Das Geld sei die Orgel aber auch wert gewesen, weiß der Klavierbauer, dessen Werkstatt gegenüber seines Ladens zu finden war.
Freilich hatte er sich überlegt, quasi zum Austrag, zumindest die halbe Woche weiterzuarbeiten. Doch zu welchem Preis? Die Werkstattmiete sei das eine. „Aber auch die Nebenkosten kann man sich nicht mehr herein arbeiten.“ Zuletzt habe er monatlich alleine für Gas 350 Euro gezahlt. Die explodierenden Energiepreise bezeichnet er als das i-Tüpfelchen auf den entbehrungsreichen Corona-Jahren, als quasi gar nichts mehr ging. „Ich habe in dieser Zeit alte Klaviere aus dem Lager geholt und instandgesetzt - solange ich Material hatte.“
In den vier Jahrzehnten in Mühldorf reparierte er auch Akkordeons und Hackbretter, legte auch mal an Saxofonen Hand an, wenn eine Klappe klemmte. Und natürlich hat er auch Musiker beraten, wenn es um besonders teure Anschaffungen ging. Er hat dabei auch schlechte Erfahrung gemacht, wenn potenzielle Kunden seinen Expertenrat eingeholt haben, dann aber das Instrument beim Großhändler gekauft haben. „In dem Glauben, dass die billiger sind. Dabei konnte ich zu 90 Prozent die Preise mitgehen“, sagt er heute schulterzuckend. „Man hätte mich nur fragen müssen.“
Überhaupt machen es die großen Musik-Versandhäuser den kleinen Musikgeschäften schwer, weil sie mit Geld-Zurück-Garantie und kostenloser Rücksendung locken. „Das ist offenbar auch der Gang der Zeit!“
Apropos Zeit - davon hat er jetzt genug. Seine Pläne? Bergwandern, sagt er, und Radfahren. „Mei, und a bisserl Musik machen“, übt er sich in bescheidener Zurückhaltung. Mit einem Spezl ist er als „Soundedge-Duo“ unterwegs. Gerade jetzt ist er umso mehr gefragt. Schließlich ist Fasching.