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Mädchen (9) angefasst - eindeutige Briefe: „Was muss noch passieren, bevor jemand reagiert?“

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Von: Sascha Ludwig

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Ein kleines Mädchen mit einem Stofftier auf dem Arm, Screenshot des Netzwerks „Kein Täter werden“, Richtungspfeil mit Polizei-Aufschrift
Pädophilie-Vorwürfe im Landkreis Mühldorf - Wie Familie und Behörden mit dem Fall umgehen. © Symbolbild Montage dpa/pa

Für Eltern gibt es nicht Wichtigeres als die Gesundheit und das Wohlergehen der eigenen Kinder. Im Landkreis Mühldorf sorgt nun ein besonders heikler Fall für Aufsehen. Im Gespräch mit innsalzach24.de berichtet eine betroffene Familie von vermeintlich pädophilen Übergriffen auf ihre jüngste Tochter.

Landkreis Mühldorf/Waldkraiburg - Familie Maier* (*alle Namen der betroffenen Familie von der Redaktion geändert) lebt mit ihren zwei Kindern in Waldkraiburg. Während die 17-jährige Tochter Susanne* bereits mit beiden Beinen im Leben steht, ist das Nesthäkchen der Familie auf etwas Hilfe angewiesen. Die kleine Steffi* ist neun Jahre alt, ihr Vater Peter* beschreibt sie als „lebhaft und aufgeweckt“. Dennoch hat das Mädchen eine spezialisierte Betreuung in einer Förderschule nötig. Das bedeutet zusätzlichen Aufwand: Jeden Morgen wird Steffi* von Zuhause abgeholt und mit dem Bus in die Schule gebracht.

Zum Fahrer des Minibusses entwickelt die kleine Steffi* schnell eine enge Beziehung. Und auch der Mann im mittleren Alter kümmert sich laut Aussage der Eltern anfangs rührend um seine jungen Fahrgäste. „Einmal haben wir ihm sogar einen Kuchen als Dankeschön gebacken, den hat Steffi* dann auf die Fahrt mitgenommen“, weiß Peter*. Die Ehefrau des Familienvaters ist beim Gespräch mit innsalzach24.de nicht vor Ort - zu tief sitzt noch immer der Schock über das, was nach der anfänglichen Harmonie passiert ist.

Berührungen und intime Worte - hat sich der Fahrer unsittlich genähert?

„Eines Tages kam Steffi* dann nach Hause. Irgendwas war anders,“ erinnert sich Peter* und weiter: „Sie hat es dann ihrer großen Schwester erzählt. Und die ist zum Glück direkt zu uns gekommen.“ So berichtet das kleine Mädchen von eindeutigen Annäherungsversuchen seitens ihres Busfahrers. Er soll sie mehrfach, während der Fahrt am Rücken und auch an den Oberschenkeln gestreichelt haben. An diesem Tag geht der Mann aber wohl noch einen deutlichen Schritt weiter: Er steckt dem Mädchen zwei Briefe zu - mit teils eindeutigen, sexuellen Aussage und Anspielungen. (Anm.: Beide Briefe liegen der Redaktion vor) Dabei soll er ganz bewusst eine andere Strecke gefahren sein und die kleine Steffi* mit Absicht als letztes Kind zuhause abgeliefert haben.

Der Inhalt der Briefe löst bei der Familie umgehend große Sorge aus. Gabriele Blechta, die bei der Caritas in Mühldorf als Diplom-Psychologin unter anderem für die Prävention von sexuellem Missbrauch zuständig ist, erkennt darin dagegen umgehend typische Täter-Strategien: „In erster Linie wird zunächst versucht, sich mit dem Kind anzufreunden (...) Hinzu kommt dann am Ende meist das Schaffen eines schlechten Gewissens.“ Durch Formulierungen wie beispielsweise „ich möchte nicht bestraft werden, weil ich so etwas sage“ soll dem betroffenen Kind der Schritt hin zu den Eltern massiv erschwert werden. In vielen Fällen auch mit Erfolg.

„Kann ich Dir vertrauen? Ich möchte nicht bestraft werden...“

Dass sich die kleine Steffi* vertrauensvoll an die große Schwester gewandt hat, ist für Gabriele Blechta somit ein großer Glücksfall. Ansonsten sollten Eltern zunächst das Verhalten der Kinder im Auge behalten. Daraus könnten sich Anzeichen für einen möglichen Missbrauch ergeben, etwa „wenn Kinder Situationen vermeiden, die sonst kein Problem verursacht haben. Auch wenn sich Kinder etwa auf einmal bewusst unattraktiv kleiden. Nicht nachvollziehbare Verhaltensweisen sollten definitiv wachsam beobachtet werden.“

Hilfe für Opfer - aber auch potentielle Täter

Laut der polizeilichen Kriminalstatistik von 2021 stiegen die Fälle von sexuellem Kindesmissbrauch in diesem Jahr um 6,3 Prozent auf deutschlandweit rund 15.500 Fälle. Umso wichtiger ist daher auch das Thema Prävention. So begibt sich Gabriele Blechta von der Caritas in Mühldorf ganz gezielt mit Ihrem Team an die Schulen in der Region. Darin beleuchtet die Psychologin in erster Linie „Grenzüberschreitungen, die nicht in Ordnung sind.“ Eltern, die sich zum Thema informieren und diesbezüglich mit ihren Kindern nähern wollen, legt sie die Website www.trau-dich.de ans Herz. Auf der Seite der Familienministeriums finden sie Hilfe, Beratung und auch passende, kindgerechte Inhalte.

Das Präventionsnetzwerk kein-tater-werden.de wendet sich dagegen an Männer, die sich stark zu Kindern hingezogen fühlen. Die Einrichtung der Berliner Charité bietet deutschlandweit ein kostenloses und durch die Schweigepflicht geschütztes Behandlungsangebot für Männer und Frauen, Erwachsene und Jugendliche, die therapeutische Hilfe suchen. Doch auch die Caritas, der Männerschutzbund und andere soziale Organisationen stehen mit Hilfe, Rat und Tat zur Seite.

„Danach gilt es auf jeden Fall Ruhe zu bewahren. Natürlich ist es schwer, sich da zu kontrollieren. Emotional zu stark zu reagieren, kann sich in diesem Fall aber auch dazu führen, dass sich das Kind zurückzieht“, ergänzt die Diplom-Psychologin. Ganz wichtig sei, dem Kind in keinem Fall Vorwürfe zu machen. Je nach Schwere der Vorfälle müsse schließlich abgewogen werden, wie es weitergehen soll. Gabriele Blechta rät dazu, sich umgehend Hilfe zu holen; im Zweifel zunächst bei Einrichtungen wie der Caritas oder auch dem Jugendamt. „Dort kann man dann weitere Maßnahmen besprechen. Die Polizei muss in solch einem Fall nicht unbedingt der erste Schritt sein. Dem Kind sollten Sie indes keine Versprechungen machen, zu schweigen: Sonst werden sie selbst handlungsunfähig oder brechen das Vertrauen.

Der nächste Schritt: Anzeige bei der Polizei erstattet

Familie Maier* entscheidet sich umgehend die Behörden einzuschalten. Mit den Briefen des Busfahrers im Gepäck, wird Peter* zusammen mit seinen Angehörigen bei der Mühldorfer Polizei vorstellig - und erstattet Anzeige. „Die Polizei hat auch die Klamotten von Steffi* mitgenommen, die sie an diesem Tag an hatte,“ so Peter Maier* weiter. Es folgt eine Vernehmung der kleinen Steffi* durch besonders geschulte Kriminalbeamte. Doch dann passierte etwas, was die Familie bis heute mit Enttäuschung und auch Fassungslosigkeit zurücklässt: Die Staatsanwaltschaft stellt die Ermittlungen ein. Peter Maier* reagiert entsetzt: „Was muss denn noch passieren, bevor jemand reagiert?“

***In Teil 2 äußern sich Staatsanwaltschaft und Polizei zu der ergangenen Entscheidung. Und auch dazu, wie es jetzt für die Familie sowie den Busfahrer weitergeht.***

sl

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