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„Man muss wissen, wer was verträgt“: Wie Bruder Barnabas an seiner Starkbier-Rede feilt

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Von: Josef Enzinger

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Je größer der Druck, umso mehr sprudeln die Ideen. Thomas Mück gibt zu, dass eine Starkbier-Rede manchmal auch erst um 6 Uhr morgens fertig werden kann.
Je größer der Druck, umso mehr sprudeln die Ideen. Thomas Mück gibt zu, dass eine Starkbier-Rede manchmal auch erst um 6 Uhr morgens fertig werden kann. Inspirieren lässt er sich dabei auch vom Mühldorfer Anzeiger. © Josef Enzinger

Er führt als Bauer über ehemalige Schlachtfelder, posiert als Heiliger Petrus beim Stephani-Umritt und beschenkt als Heiliger Nikolaus die Kinder. Der Erhartinger Thomas Mück mag solche Rollenspiele. Beim Starkbier-Fest in Erharting schlüpft er am Samstag in eine Mönchskutte - nicht zum ersten Mal.

Erharting - „Überall auf der Welt scheint die Sonne - Prost!“ Ein einfacher Text, der zur Melodie des Gefangenenchors aus Verdis Nabucco am Samstag, 11. März, wieder im Landgasthof Pauliwirt zu hören sein wird (ab 19 Uhr). Zwei Jahre mussten die Erhartinger warten. Wegen der Corona-Pandemie war nicht an ein Starkbier-Fest zu denken. Jetzt aber dürfen sich die Erhartinger darauf freuen, dass ihnen Thomas Mück wieder einen heiteren Abend beschert. Als Fastenprediger wird er ans Rednerpult treten und kein Blatt vor den Mund nehmen, wenn er die hiesige Prominenz aufs Korn nimmt.

Nicht zum ersten Mal. Schon 2020 hatte der Erhartinger die Leute beim Pauliwirt mit seiner lockeren Rede belustigt. „Da war im November zuvor der Wirteerhaltungsverein auf mich zugekommen und hat mich gefragt, ob ich denn eine Fastenpredigt halten möchte. Als Überraschungsgast war ich schließlich angekündigt und beim Auftritt hieß ich dann plötzlich Bruder Barnabas“, berichtet Mück lachend, wie er zu seinem Mönchsnamen gekommen ist und streicht sich über seinen langen grauen Bart. „Nein“, sagt er, der müsse eigentlich nicht sein. „Aber der ist noch ein Überbleibsel vom Nikolausgehen.“

Denn wenn Thomas Mück in eine Rolle schlüpft, dann geht er voll darin auf. Will so authentisch wie möglich wirken. Zusammen mit einigen Gleichgesinnten vom Brauchtumsverein Erharting besucht er Familien als Heiliger Nikolaus. Und dafür lässt sich Mück monatelang einen langen Bart wachsen. Den Rasierer lässt er auch monatelang liegen, wenn er beim Stefanie-Umritt als Heiliger Petrus vom Motivwagen runterblickt und wenn er als Bauer über die ehemaligen Schlachtfelder von 1322 führt. Und eben auch, wenn er als Bruder Barnabas der örtlichen Prominenz die Leviten liest.

Aber was heißt schon Leviten lesen? „Bei uns in der Gemeinde läuft gerade alles nach Plan. Da gibt es tatsächlich nicht viel, was man anprangern oder derblecken könnte“, sagt Mück. Vor drei Jahren, unmittelbar vor der Kommunalwahl, sei das anders gewesen. „Das Plakat der UWG und dem Bürgermeisterkandidaten Mathias Huber zum Beispiel. Das hat ausgesehen wie eine Ankündigung vom Theaterstadl. Der Schmid Sepp und seine FWG hingen farblos, in schwarz-weiß. Und als dann auch noch mit Videos auf Facebook Wahlwerbung betrieben wurde, da hat sich die Rede von alleine geschrieben. Da hat das Ganze dann Fahrt aufgenommen. Das hat viel Stoff geliefert.“

Corona spielte schon 2020 eine Rolle

Und auch Corona hat in der Fastenzeit 2020 schon eine Rolle gespielt. Damals, zu Beginn der Pandemie, das gibt Mück heute zu, hatte er die Ernsthaftigkeit etwas unterschätzt. Mit einem Corona-Bier sei er auf die Bühne gegangen, das ja mit dem Erhartinger Doppelritter niemals mithalten könne. Man habe seine Späße gemacht. Dass man sich gerne in Quarantäne begeben würde, solange es denn beim Pauliwirt wäre. Und nur wenige Tage später habe man feststellen müssen, wie ernst die ganze Sache ist. Dass es in den Folgejahren kein Starkbier-Fest mehr geben werde - zu diesem Zeitpunkt undenkbar.

Zwei Jahre Pandemie. „Das sind zwei Jahre, in denen auch gesellschaftlich nicht viel passiert ist!“ Aber seitdem man sich wieder treffen darf, zum Stammtisch treffen, zu Vereinsveranstaltungen, nutzt Mück die Gelegenheit zum Austausch. „Man muss den Leuten zuhören, ihnen auf den Mund schauen. Da lässt sich einiges erschließen!“ Zu Beginn die Einleitung, dann Beicht- und Himmelsgeschichten, Frauen- und Männergebete und schließlich der interessanteste Teil: die Politik. Letzteres dann sogar in Gedichtform.

Fingerspitzengefühl ist gefragt

So gliedert Mück seinen Vortrag, liefert dabei Geschichten, die das Zwerchfell strapazieren werden, mal allgemein gehalten, mal so pointiert auf bekannte Gemeindebürger zugeschnitten, dass man gar nicht den Namen nennen müsse, um zu erschließen, um welche Person es geht. „Dabei ist es aber extrem wichtig, wie man derbleckt. Man muss wissen, wer was verträgt oder leicht eingeschnappt sein könnte. Es sollte nie beleidigend sein. Wir sind ein Dorf. Man muss sich danach noch in die Augen schauen können!“, erklärt Mück. „Da tun sich die Fastenprediger auf dem Nockherberg schon leichter, weil sie eine größere Distanz zu den Politikern haben!“

Warum nicht mal Monika Gruber als Nonne?

Stichwort Nockherberg: Wenn er darüber grübelt, wer in all den Jahrzehnten die besten Predigten abgeliefert hätte, dann braucht Mück gar nicht lange überlegen. „Walter Sedlmayr. Das war einer, der die komplette Politik im Kopf hatte. Ein g‘standenes Mannsbild!“ Die scharfe Zunge eines Michael Lerchenberg. Ein Django Asül und ein Bruno Jonas, den Mück als „rhetorisch brillant“ bezeichnet. Gegen solche Kaliber würde sich ein Maxi Schafroth schwer tun herauszustechen. „Seine Rede war mir zu einseitig. Nur gegen Söder und Aiwanger ausgeteilt. Kaum Kritik gegen SPD und Grüne.“ Und dann findet Mück auch noch: Ein Fastenprediger am Nockherberg müsse bayerisch reden. Da passe kein Allgäuerisch. „Die Monika Gruber als Nonne. Die könnte ich mir gut vorstellen!“, schlägt der Erhartinger stattdessen vor.

Kein Kamillentee im Krug

Wenn Mück am Samstagabend seine Predigt halten wird, kann es gut sein, dass er etwas müde ist. Beim letzten Auftritt sei die Rede bereits fertig gewesen, als er sie tags zuvor passagenweise durchgestrichen und neu überarbeitet hatte. „Bis um 6 Uhr früh bin ich da gesessen!“ Danach habe er seiner ehrlichsten Kritikerin, seiner Frau Susi, seine Rede vorgelesen. Nachdem ihr Plazet erteilt worden sei, habe er sich endlich hingelegt, um für den Abend fit zu sein. Wenn er als Mönch beim Pauliwirt am Rednerpult steht, wird es übrigens kein Kamillentee sein, mit dem sein Maßkrug gefüllt ist. „Man möchte ja schließlich authentisch sein“, sagt Mück.

Und irgendwann singen die Zuhörer von alleine

„Natürlich gibt es während der Fastenpredigt auch viele Prosits, denn mit dem Starkbier steigt natürlich auch die Stimmung“, weiß Mück und erinnert an das letzte Mal. „Da habe ich gar nichts mehr sagen müssen. Sobald ich den Krug angehoben habe, haben alle von selbst begonnen zu singen: Überall auf der Welt scheint die Sonne - Prost!“

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