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Ökologisch und kostensparend: Das Nahwärme-Projekt von Erharting droht trotzdem zu scheitern

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Von: Josef Enzinger

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Helmut Wurm hat das Nahwärme-Projekt in Schoßbach geplant
Helmut Wurm hat das Nahwärme-Projekt in Schoßbach geplant. Die Anlage hat eine Leistung von 260 Kilowatt. © Enzinger

Ein voller Saal beim Pauliwirt, angeregte Gespräche, viele Fragen von Erhartinger Bürgern: Bei der Bürgerversammlung im November 2022 war das Interesse gegenüber einer alternativen Heizmöglichkeit groß. Warum das Nahwärmeprojekt der Gemeinde entgegen guter Prognosen dennoch Anlaufschwierigkeiten hat.

Erharting - 52 Prozent - es sind nur knapp über die Hälfte der Erhartinger Bürger, die sich einen Anschluss an ein Nahwärmenetz vorstellen könnten. Das geht aus einer Befragung hervor, welche die Gemeindeverwaltung noch im Dezember 2022 durchgeführt hat. Zu wenige, um das Projekt der gemeindlichen Wärmeversorgung umzusetzen. „Wir benötigen eine Anschlussquote zwischen 70 und 75 Prozent, sonst lässt sich das Projekt wirtschaftlich nicht darstellen. Sonst rentiert sich das Ganze nicht“, sagt Erhartings Bürgermeister Mathias Huber (UWG), der voll hinter diesem Projekt steht.

70 bis 75 Prozent Anschlussquote erforderlich

Huber bedauert im Gespräch mit den OVB Heimatzeitungen das zögerliche Verhalten der Erhartinger und will nun im Rahmen einer weiteren Erhebung die Bürger der Isengemeinde gewinnen, sich diese alternative Heizmethode ins Haus zu holen. Dabei kann er nicht nachvollziehen, warum sich die Gemeindebürger nur mäßig entscheidungsfreudig zeigen, „denn unser Nahwärmeprojekt bringt eigentlich nur Vorteile“, sagt Huber.

Darum geht es: Im Rahmen der Bürgerversammlung im November 2022 hatte Fabian Schnabl vom Institut für Systemische Energieberatung an der Hochschule Landshut die Idee eines Nahwärmenetzes im Ortsbereich von Erharting vorgestellt. Mittels einer eigenen Hackschnitzelheizung, so das Ziel der Gemeinde, will man den Bürgern eine echte Alternative zur Heizung mit Öl und Gas anbieten. Zumindest für die Erhartinger, die nördlich der Isen wohnen. „Südlich der Isen wäre zu aufwendig“, ergänzt Huber den alleinigen Fokus auf den nördlichen Ortsbereich. Zumal im Süden nur wenige Anwesen zu finden seien, neben Kirche, Kindergarten, Wirtshaus und Schule.

Unser Nahwärmeprojekt bringt eigentlich nur Vorteile!

Bürgermeister Mathias Huber (UWG)

Immerhin: 180 Erhartinger haben im Rahmen der ersten Erhebung Interesse an der neuen Heizform gezeigt. Bislang zu wenig, um das Projekt wirtschaftlich zu betreiben, so Huber, der auf sehr gute Erfahrungswerte im Bereich von Schoßbach verweist. Dort steht seit August 2022 eine Hackschnitzelheizung, die 14 Anwesen in diesem Erhartinger Gemeindeteil mit Wärme versorgt.

Heizkosten haben sich inzwischen halbiert

Er selbst beziehe schon länger alternative Wärme über die Hackschnitzelheizung des Nachbarn. „Nach der ersten Heizperiode hatten sich bereits die Umbaukosten amortisiert. Die Heizkosten haben sich halbiert“, berichtet Huber, der nur Vorteile sieht, wenn man sich von fossilen Brennstoffen wie Öl und Gas trennt. „Viele heizen noch mit Öl, müssen vielleicht sowieso umstellen. Hier bietet sich eine vergleichsweise günstige Alternative an“, sagt Huber. „Man muss sich nämlich keine eigene Heizung mehr kaufen oder diese warten. Man braucht keinen Kaminkehrer mehr“ Maximal ein Pufferspeicher, um die Wärme im Haus zu speichern, sei dann noch eine Option.

Huber wirbt auch deswegen für eine zentrale Hackschnitzelheizung, weil die Preisgestaltung zum Beispiel bei der Gründung einer Genossenschaft dann in eigenen Händen liege, so günstig wie möglich, unabhängig von willkürlich festgelegten Preisen eines gewinnorientierten Anbieters über die Gemeindegrenzen hinaus.

Wertschöpfung vor Ort

Die ökologischen Aspekte im Vergleich zu Öl und Gas verhehlt Huber nicht. Dass man dann ja CO₂-neutral heizen würde, argumentiert der Bürgermeister. Und natürlich bringt Huber auch die Wertschöpfung vor Ort ins Spiel. Denn es gebe einige Landwirte oder Waldbauern in der Region, die ihr Holz zu einem vernünftigen Preis verkaufen könnten. Denn auf dem freien Markt sei zum Beispiel „Käferholz“ nicht viel wert.

Bürgermeister wirbt für Anschlussbereitschaft

Was die Kilowattstunde einer möglichen neuen Hackschnitzelanlage im Ort kosten wird, dazu gibt es bislang nur vage Angaben. Ausgehend von einem mittleren Preisniveau war bei der Bürgerversammlung von Kosten zwischen 11,3 bis 17,5 Cent pro Kilowattstunde die Rede, je nach Anschlussquote. Und diese Quote ist es, die Bürgermeister Huber antreibt.

Er appelliert an die Erhartinger, sich ernsthaft Gedanken zu machen und sich zeitnah zu melden, sollte Interesse an dieser alternativen Wärmeversorgung bestehen. Denn erst, wenn es eine solide Basis dafür gebe, dass das Projekt auch wirtschaftlich betrieben werden kann, seien weitere Planungsschritte möglich.

In Schoßbach gibt‘s Wärme zum Schnäppchenpreis

Als Fabian Schnabl vom Institut für Systemische Energieberatung an der Hochschule Landshut das Nahwärme-Projekt bei der Bürgerversammlung vorgestellt hatte, waren auch Zahlen genannt worden. Die Gesamtlänge der Leitung gab er mit rund 6500 Metern an, darin enthalten wären bereits die Hausanschlussleitungen mit rund 1,87 Kilometer. In puncto Wärmebedarf geht man vom Institut von jährlich 4258 Megawattstunden aus. Mehr als ein Zehntel dieser Wärmeenergie erzeugt die bereits bestehende Hackschnitzelheizung bei Schoßbach.

Von 450 bis 500 Megawattstunden spricht Helmut Wurm, der die Anlage betreut. Zwei Kessel befinden sich in dem Gebäude mit der Adresse „Schoßbach 1 a“. Sie haben eine Leistung von insgesamt 260 Kilowatt, 70 Prozent würden bislang genutzt. „Wir haben also noch Kapazitäten frei“, sagt Wurm. Allerdings könne nur der Ortsteil Schoßbach damit wirtschaftlich versorgt werden. Die erzeugte Leistung pro Jahr ersetze 45.000 bis 50.000 Liter Heizöl, wirbt Wurm mit Zahlen für die Alternative zu Öl und Gas. Und auch der Preis ist verlockend. 7,5 Cent zahlen die Anlieger für die Kilowattstunde. Zum Vergleich: Gas kostet im bundesdeutschen Durchschnitt aktuell 12,3 Cent. Und auch die Anschlusskosten sind mehr als konkurrenzfähig, findet Wurm. 4.500 Euro hat die „Dorfheizung Schoßbach“ pauschal von jedem Anschlusswilligen kassiert.

Weit weniger also im Vergleich zur Erneuerung einer eigenen Heizung im Keller. Diese aber werde hinfällig, wenn die Nahwärme genutzt würde, so Wurm. „Man hat also zusätzlich Raumgewinn im Haus“, so Wurm weiter. Er hat eine mögliche Erklärung für die Zurückhaltung der Erhartinger in Bezug auf die Nutzung der Nahwärme. Es herrsche eine gewisse Skepsis gegenüber einer Technologie, die funktioniert, obwohl man selbst keine Heizung im Haus hat, sagt Wurm. Und er verweist auf die Erfahrung der „Dorfenergie Schoßbach“: „Man hat den Leuten schon gut darlegen müssen, wie das in der Praxis läuft!“

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