Branche steht unter Druck
Ende des Baubooms: Warum die Bauinnung Mühldorf-Altötting ein Auftragsloch befürchtet
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Die Bauinnung Mühldorf-Altötting feierte vor Kurzem ihr 100-jähriges Bestehen. Ein guter Zeitpunkt, um sich bei den Mitgliedern nach der Lage der Bauwirtschaft in der Region zu erkundigen.
Mühldorf – Konnten die Innungsbetriebe in den vergangenen zwei Jahren kaum alle Bauherren bedienen, hat sich das Blatt in den vergangenen Monaten gewendet: „Wir verzeichnen einen drastischen Rückgang der Aufträge“, informiert Innungs-Obermeister Peter Heiß aus Neumarkt St. Veit, „das könnte im schlimmsten Fall nächstes Jahr sogar in einem Auftragsloch münden“.
Nur neun Gesellen für 61 Betriebe
Zwar seien die Bücher bei den meisten Betrieben derzeit noch voll, doch es werden oft nur noch Auftragspolster abgearbeitet.
Das Verhältnis unter den regionalen Bauunternehmen ist so kollegial, wie lange nicht. Das liegt aber auch daran, dass es im Bauboom der vergangenen Jahre an Personal mangelte, sodass es gar keine echte Konkurrenz mehr um Baustellen gab.
In diesem Jahr haben bei den insgesamt 61 Innungsbetrieben aus der Region nur neun Gesellen erfolgreich ihre Lehre beendet. Angesichts gestiegener Anforderungen in den Bereichen Materialkunde und auch der anspruchsvolleren verwendeten Technik, ist so eine Lehre und deren unabhängige Begutachtung aber unverzichtbarer denn je. Davon ist Innungs-Beisitzer Rupert Rigam überzeugt. Er ist Geschäftsführer des gleichnamigen Traditionsunternehmens aus Mühldorf und weiß um die Bedeutung der Innung für die Nachwuchsgewinnung.
Branche unter Druck
Die Branche steht unter Druck: steigende Zinsen lassen Bauherren zunehmend zögern. Zudem sind die Bauunternehmen von der Materialknappheit auf dem Rohstoffmarkt kompromittiert: „Ich kann fast keine seriösen Festpreisangebote machen, weil die Preise so volatil sind!“, erklärt Geschäftsführer Rupert Rigam die Situation, dass es beim Einkauf im Großhandel oft gar nicht mehr um den Preis, sondern nur noch um die Verfügbarkeit geht. Zwar hätten auch die Gewerkschaften einen sehr guten Tarifabschluss für die Beschäftigten erreicht, doch die gestörten Lieferketten im asiatischen Raum und die Tatsache, dass weltweit agierende Konzerne mit den Rohstoffen faktisch spekulieren, ist zu einem Problem geworden, für das die Innung keinen Hebel hat. Enttäuscht zeigen sich daher einige Mitgliedsbetriebe: „Ich bin da nur zahlendes Mitglied“, erklärt Bauunternehmer Florian Artinger aus Niederbergkirchen kurz und knapp.
Preise nicht an Kunden weitergeben
Zwar ermöglicht die Innung durch Rahmenverträge mit den Großhändlern beispielsweise auch Einkaufsvorteile, doch wenn die Lager leergefegt sind, ist schlicht mehr Vorlauf nötig: „Wenn die Mengen nicht vorhanden sind, arbeiten wir auf einer Baustelle schon mit verschiedenen Lieferanten“, verdeutlicht Rupert Rigam das Problem. Das Anrühren verschiedener Zementmischungen ist mit dem Sachverstand des Maurers vor Ort noch zu lösen.
Doch verlängert es schlicht die Bauzeit, wenn man auf den richtigen Baustahl mit dem gleichen Ausdehnungskoeffizienten warten muss und erschwert eben nicht nur die Arbeit der Bauleiter, sondern zwingt die Branche mitunter, die tagesaktuellen Preise direkt an die Kunden weiterzugeben.
Besonders kritisch sieht die Innung auch die Politik der Bundesregierung. So wurden nicht nur die in den letzten Jahren florierenden KfW-Förderungen gekappt, sondern ihr Ersatz lässt auf sich warten: „Wo bleiben die Wohnbauprogramme in der Realität?“, fragt Rupert Rigam.
Unklare Regeln sorgen für Stagnation
Durch Rücksprache in der Branche wisse er, dass der Wohnungsbau wegen der unklaren Bestimmungen komplett stagniere. Dass die neue Regierung obendrein die Förderung industrieller Vorfertigung von Bauteilen in Erwägung zieht, um auf die versprochenen 400 000 Wohnungen pro Jahr zu kommen, enttäuscht Innungs-Obermeister Peter Heiß: „Fertigbauteile machen doch nur großflächig Sinn und münden dann in Ghettos, wie den Plattenbauten!“.
Bei uns hingegen wolle man keine großen Flächen versiegeln, sondern müsse vielerorts nachverdichten, was mit Serienfertigung nicht zu machen sei.