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Das Ende des stolzen ESV Mühldorf: Darum war der einst große Sportverein nicht zu retten

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Von: Markus Honervogt

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Mehr als ein Sportverein: Der ESV Mühldorf war jahrzehntelang Heimat von Sportlern und Ort für gesellschaftliche Anlässe. Dazu gehörte seit Jahrzehnten der große Ball am Faschingssamstag.
Mehr als ein Sportverein: Der ESV Mühldorf war jahrzehntelang Heimat von Sportlern und Ort für gesellschaftliche Anlässe. Dazu gehörte seit Jahrzehnten der große Ball am Faschingssamstag. © Stuffer

Einst hatte der ESV Mühldorf 500 Mitglieder und viele Abteilungen. Er war mit großen Faschings- und Starkbierfesten aus dem gesellschaftlichen Leben Mühldorfs nicht wegzudenken. Trotzdem war er nicht mehr zu retten.

Mühldorf – Mit dem ESV Mühldorf stirbt der dritte Mühldorfer Sportverein binnen weniger Jahre. Zuerst gab der SVA Altmühldorf auf, dann meldete sich die SpVgg ab. Jetzt geht der Verein, der nicht nur den Sport, sondern auch das gesellschaftliche Leben stark gepflegt hat.

Seit 55 Jahren Mitglied im Verein

Hans Schaffer ist seit 15 Jahren Vorsitzender des ESV, Mitglied seit 55. Jetzt muss er vor den letzten Mitgliedern sagen: „Es ist ein sehr trauriger Anlass, es zehrt ganz schön, aber es ist leider so.“ Zusammen mit seinem Stellvertreter Waldemar Heymann hatte er zur außerordentlichen Mitgliederversammlung in das Sportheim des ESV Mühldorf geladen, der letzten. Einziger Sinn der Sitzung: den Verein abzuwickeln.

Zeitweise 500 Mitglieder

Dem langjährigen Vorsitzenden merkt man im Gespräch die Trauer über den Abschied an. Denn der ESV war ein großer Verein, ein wichtiger Teil Mühldorfs. Zeitweilig hatte er 500 Mitglieder, bot ein Dutzend Sportarten an, richtete große Feste aus, durfte das großzügige Sportgelände des Bundeseisenbahnvermögens kostenlos nutzen.

Und er hatte über Jahrzehnte eine nahezu automatische Ressource. Wer immer bei der Eisenbahn arbeitete, war Mitglied. Schaffer spricht vom Dreiklang: „Eisenbahn, Sparda-Bank, ESV.“

Die Zeiten haben sich geändert. „Junge sind nicht nachgekommen, Alte weggestorben.“ Das Ergebnis: Nur noch gut 80 Mitglieder gehören zum ESV, nicht einmal die Hälfte von ihnen ist bei der Eisenbahn, wie es von den Statuten her sein müsste. Denn davon hängt die pachtfreie Nutzung des Sportgeländes ab.

„Die Kosten für Strom sind stark gestiegen, wir brauchten 8000 bis 10 000 Liter Heizöl pro Jahr“, berichtete Schaffer den Mitgliedern. „Diese Unterhaltskosten konnten sowieso nicht mehr vom Verein bezahlt werden“.

Die meisten Abteilungen haben sich aufgelöst

Die Abteilungen des ESV haben sich in den letzten Jahren aufgelöst. „Die Hälfte der Fußballer schloss sich dem FC Mühldorf an, die andere Hälfte beendete die Karriere oder betreibt nur mehr Freizeitfußball“, sagt Abteilungsleiter Josef Westenkirchner. Damit ging dem ESV die Jugend verloren. Eine Herrenmannschaft blieb, sie gab 2020 endgültig auf.

Heimat der besten Kegelbahn

Die Erosion ging weiter: Die Tennisspieler zogen zum TSV oder TC um, nur die Kegler und die Frauengymnastik sind noch aktiv. Sie beenden ihre Tätigkeit zum Jahresende. Das Gelände gehört längst der Stadt, in der Turnhalle üben die Parcours-Sportler des TSV, der vielleicht auch das Vereinsstüberl betreiben will. Der FC plant eine Sportanlage samt Tribüne auf dem Gelände. An den Bahngleisen geht es also sportlich weiter, allein den ESV wird es nicht mehr geben.

Für die Stadtmeisterschaften suchten sich die Kegler viele Jahre lang die besten Bahnen im Landkreis. Die liegen im Keller der ESV-Turnhalle.
Für die Stadtmeisterschaften suchten sich die Kegler viele Jahre lang die besten Bahnen im Landkreis. Die liegen im Keller der ESV-Turnhalle. © Haserer

Mit ihm verschwinden wichtige Ereignisse: Für den Ball am Faschingssamstag bekamen früher nur die Schnellsten Karten, um Bruder Barnbas beim Starkbierfest zuhören zu können, begnügten sich heimische Politiker schon mal mit Notplätzen auf Sportbänken.

Verein bis zum Jahresende abwickeln

Nur zwei Beschlüsse waren nötig, um den ESV abzuwickeln: Der erste betraf die Vereinsauflösung, die notwendige Dreiviertelmehrheit wurde ebenso erreicht wie die beim zweiten Beschluss: Die Vorstände Schaffer und Heymann werden als Liquidatoren eingesetzt. Wie Konkursverwalter führen sie die Vereinsgeschäfte bis zum Jahresende weiter. „Da bleibt noch viel Arbeit“, sagt Schaffer. Die Meldung der Vereinsauflösung an Finanzamt, Amtsgericht, Verband Deutsche Eisenbahnersportvereine und Bayerischem Landessportverband; der Gang zum Notar; die Eintragung der Liquidation ins Vereinsregister und Gespräche mit der Stadt Mühldorf.

Tätigkeiten, die Hans Schaffer wenig Freude bereiten. „Es ist schon bitter“, sagt er. 60 Jahre ist der ESV im vergangenen Jahr geworden, einen Grund zum Feiern gab es nicht. In wenigen Wochen, ein Jahr danach, wird er nicht mehr existieren.

Großes Problem vieler Vereine

Bürgermeister Michael Hetzl bedauert das Ende des Vereins. „Die Auflösung des ESV ist eine sehr traurige Meldung“, sagt er. Überraschend kommt das Aus für ihn aber nicht. Es sei absehbar gewesen, denn mittlerweile haben sich fast alle Sparten des Vereins anderen Sportvereinen angeschlossen. „Diese Auflösung und Fusion mit anderen Vereinen zeigt aber auch das heutige Problem der Vereine.“ Es würden immer weniger ehrenamtliche Helfer gefunden, betont Hetzl. „Und damit wird es auch immer schwerer für die Vereine zu überleben.“

So geht es beim EKC weiter

Einzug des Eisenbahnerkonfetti-Clubs zum Starkbierfest. In der oft übervollen Halle machte sich Bruder Barnabas Gedanken über die Kommunalpolitik.
Einzug des Eisenbahnerkonfetti-Clubs zum Starkbierfest. In der oft übervollen Halle machte sich Bruder Barnabas Gedanken über die Kommunalpolitik. © DC-X

Der Eisenbahnerkonfetti-Club (EKC) hat über seine Zukunft noch nicht entschieden. Die 15 Mitglieder waren beim ESV für Feste und Feiern zuständig. „Wir werden uns demnächst besprechen“, sagt EKC-Chef Harry Mittermaier. Klar ist aber schon länger: Den ESV-Ball wird es nicht mehr geben, auch kein Starkbierfest. Was aus dem Faschingszug wird, ist offen. „Wir sind der Mühldorfer Verein, der am längsten beim Faschingszug dabei ist“, sagt Mittermaier. Allerdings zahlt der EKC jährlich 800 Miete dafür, dass er seinen Wagen in einer Halle unterstellen darf. „Und ohne Faschingsball fehlen uns die Einnahmen.“

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