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Reaktionen zum Stellenabbau bei Wacker: "Erst die erste Welle"

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Von: Jens Zimmermann

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800 Stellen sollen deutschlandweit bei der Wacker Chemie abgebaut werden. Erst im Januar verkündete das Unternehmen einen Verlust von 630 Millionen Euro für das Jahr 2019.
800 Stellen sollen deutschlandweit bei der Wacker Chemie abgebaut werden. Erst im Januar verkündete das Unternehmen einen Verlust von 630 Millionen Euro für das Jahr 2019. © jz

Burghausen - Der Stellenabbau der Wacker Chemie von rund 1.000 Jobs erschüttern Staatssekretär Stephan Mayer (CSU) und Landrat Erwin Schneider (CSU). Beide fordern günstigen Industriestrom. Burghausens Bürgermeister Hans Steindl (SPD) dagegen sah diese Entwicklung kommen und fühlt sich von der Politik im Stich gelassen.

Die Firma Wacker Chemie will in den nächsten Jahren kräftig sparen und plant deswegen einen massiven Stellenabbau. Rund 1.000 Jobs sollen wegfallen. Dies verkündete das Unternehmen am Donnerstag in einer Pressemitteilung. Auf Nachfrage von innsalzach24.de hieß es, "es gebe derzeit keine weiteren Statements außerhalb der Pressemitteilung". Für die Mitarbeiter kam diese Meldung selbst nicht überraschend und berichten, welche Stellen betroffen sein sollen. Auch die Politiker in der Region haben sich zum Thema geäußert.

Burghausens Bürgermeister Hans Steindl

Diese Meldung kam nicht überraschend. Ich weise seit gut einem Jahr darauf hin. Gründe hierfür sind bekannt: beispielsweise der Preisverfall von Polysilizium und die Strompreis-Diskussion, die die Politik zwar diskutiert, aber sie bietet keine Lösungsmöglichkeiten an. Das bereitet mir große Sorgen. Das ist erst die erste Welle, die auf uns zurollt. Keiner weiß, wie sich das auf den Standort Burghausen auswirken wird. 

Wenn sich die Situation nicht verbessert, dann wird innerhalb der nächsten fünf Jahren die nächste Welle kommen. Wir stehen im Jahr 2020 vor einer Weichenstellung. Haben wir hier in der Region in Zukunft eine Strukturkrise mit Abwanderungs- und Verlagerungstendenzen von Betriebsanlagen? Es wird keine Investitionen in Nischen- oder Sonderprodukte geben. Wir können in der Region nur mithalten, wenn neue Produkte auf den Markt kommen. Das heißt, es muss investiert werden, es muss neue Technologie her. 

Deshalb war vor zwei Jahren mein Ansatz: Warum baut man keine Batteriefabrik im Raum Burghausen? Aktuell stehen die Wasserstofftechnologie oder eine Plastik-Recycling-Firma zur Diskussion. Die Technik und Planung wäre vorhanden, das Know-How der Ingenieure wäre vorhanden, wir haben Grundstücke und Standortvorteile in dieser Frage. 

Aber wenn sich die Politik in dieser Hinsicht nicht bewegt, wird es schwierig. Wir haben für einen Lärm- und Sichtschutzwall eine Genehmigungszeit von einem Jahr. Wir sind in einer Blockade. Wirtschaftsminister Aiwanger war vorheriges Jahr hier in Burghausen und wir haben ihm von unseren Problemen erzählt. Er hat versprochen, sich darum zu kümmern. Doch es ist überhaupt nichts passiert. Wir werden alleine gelassen von der Politik. 

Wir bekommen nicht einmal die Stromtrassen auf die Reihe. Da wird in Mehring, Erlbach und Reischach demonstriert. Wie die jungen Leute jedoch hier an Arbeitsplätze kommen, wie Geld verdient werden soll, wie Steuern bezahlt werden, die für Bildung und Straßenbau im Landkreis verwendet werden. Darüber macht man sich keine Gedanken mehr.

Burghausen hat eine unglaubliche Vorleistung erbracht. Wir haben einen Güterterminal für 35 Millionen Euro gebaut. Das wäre eigentlich Angelegenheit der Bundesbahn gewesen. Zudem betreibt der Landkreis keine aktive Wirtschaftspolitik.  

Staatssekretär Stephan Mayer, MdB

Die Nachricht, dass auch am Standort Burghausen der Wacker Chemie AG vermutlich Arbeitsplätze abgebaut werden, ist für mich ein Schock, eine denkbar schlechte Nachricht für die Firma Wacker und ihre Mitarbeiter/innen, aber auch für den Landkreis und die gesamte Region.

Vorrangig ist nun, betriebsbedingte Kündigungen zu vermeiden. Eindeutig wichtigstes Ziel ist es, die verbleibenden Stellen zu erhalten und mittelfristig die Anzahl der Arbeitsplätze wieder aufzustocken, wie es auch in der Vergangenheit gelungen ist.

Die Begründung der Firmenleitung zu diesem Einschnitt gibt zu denken und ist leider keine Überraschung. Spielen doch die im Vergleich zum Ausland in Deutschland hohen Energiepreise eine wichtige Rolle. Dies war auch das Thema meines Grußwortes beim heurigen Neujahrsempfang der Mittelstands-Union. Wir gefährden unsere Wirtschaft, wenn wir nicht alle gemeinsam endlich etwas gegen die hohen deutschen Industriestrompreise unternehmen und Wettbewerbsnachteile für energieintensive Wirtschaftszweige beseitigen. Dies muss parteiübergreifender Konsens werden.

Und eines ist klar: Die Bekämpfung des Klimawandels ist lebenswichtig. Aber: Ohne eine gesunde Wirtschaft, die den Wettstreit mit anderen großen Wirtschaftsmächten bestehen kann, sind die dafür notwendigen Maßnahmen jedoch nicht finanzierbar. Wirtschaft und Klima sind eine Seite der Medaille.

Landrat Erwin Schneider

Dieser für den Landkreis Altötting katastrophale Stellenabbau trifft uns wie ein Schlag: In sehr vielen Gesprächen mit Industrievertretern wurde gebetsmühlenartig auf die steigenden Strompreise und den damit verbundenen Wettbewerbsnachteilen, nicht nur für unsere Region, sondern für ganz Deutschland, hingewiesen.

Ich halte diese Kündigungswelle, die unseren Landkreis nun bis ins Mark erschüttert, zu einem großen Teil für eine Folge einer völlig falsch umgesetzten Energiewende. Für den Alleingang in der Energiepolitik zahlen wir nun einen hohen Preis. Die Folgekosten, die aus dem Ausstieg aus der Atomenergie und der Kohlverstromung resultieren, können von den Unternehmen, die im weltweiten Wettbewerb mit Unternehmen stehen, die deutlich günstigere Energiepreise zu bezahlen haben, nicht mehr getragen werden.

Eine pikante Tatsache dabei ist, dass die Produkte von Wacker gerade für den Klimaschutz verwendet werden. Bestes Beispiel dafür ist Polysilizium, das für die Produktion von Photovoltaik-Anlagen verwendet wird. Ich finde es unerträglich, dass ein solches Unternehmen durch verfehlte Energiepolitik aus Deutschland geradezu vertrieben wird.

Dies habe ich auch in einem Schreiben an Ministerpräsident Dr. Markus Söder und Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier in unmissverständlicher Form zum Ausdruck gebracht. Wir müssen hier schnellstens wieder auf ein Niveau kommen, das uns konkurrenzfähig macht. Hier sind die Stellschrauben allerdings bei der Landes- und Bundespolitik angesiedelt.

Pressemitteilung Stephan Mayer/Pressemitteilung Landratsamt Altötting/jz

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