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Viele Gaffer und Handys – aber keine Verbandskästen: Ersthelferin über schweren Unfall in Neuötting

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Von: Daniela Haindl

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Fotos: Schwerer Unfall in Neuötting am 19. Januar 2023
Hier ereignete sich am 19. Januar der schwerer Unfall in Neuötting. Der verletzte Mann verstarb zwei Tage später. © fib/Eß

Am 19. Januar wurde in Neuötting ein 64-jähriger Fußgänger überfahren. Zwei Tage später erlag er seinen Verletzungen. Eine Passantin, die Erste Hilfe leistete erzählt von ihrem Erlebnis am Unfallort.

Neuötting – Sie ist medizinische Mitarbeiterin im Klinikum Traunstein und war nach eigenen Angaben direkt nach dem schweren Unfall am 19. Januar in der Altöttinger Straße: Ilayda Celik saß gerade im Auto ihrer Oma, als sie vor sich auf eine Menschenmenge erblickte – und den Fußgänger, der kurz zuvor mit einem PKW kollidiert war, und schwerst verletzt und blutend am Boden lag. „Ich bin sofort ohne Nachdenken ausgestiegen, nicht einmal eine Jacke habe ich mitgenommen“, sagt Celik. Zuerst habe sie versucht sich Klarheit über die Situation zu verschaffen. Das habe sich jedoch äußerst schwierig gestaltet.

Keine Verbandskästen in Autos?

Etwa 15 Personen sollen laut Celik um den verletzten 64-Jährigen gestanden, und teils sogar gefilmt haben. „Als ich rausfinden wollte, ob schon jemand einen Notruf abgegeben habe, bestand große Unklarheit“, erzählt sie. Schließlich habe sie aber die Anrufer ausfindig gemacht, aber keine näheren Informationen von ihnen bekommen können. „Schlimm war, dass keiner dem Verletzten geholfen hat. So habe ich mich selbst auf die Suche nach einem Verbandskasten gemacht“, so Celik. Der Versuch blieb aber zuerst erfolglos, denn keiner der Anwesenden soll laut Celik einen Verbandskasten im Auto geführt haben. „Ungefähr zehn Minuten habe ich allein für die Suche nach einem Verbandskasten gebraucht, bis mir schließlich der Geschäftsführer des benachbarten China-Restaurants an der einen brachte“, erzählt die 19-Jährige.

Störende Schaulustige

Trotz ihrer jungen Jahre soll sich Celik als Einzige gewagt haben, Erste Hilfe für en Verletzten zu leisten. Laut eigener Aussage behinderten die umstehenden Passanten sie dabei massiv. „Eine Frau hat mich zum Beispiel angeschrien, dass ich den Verletzten nicht anrühren soll“, sagt Celik. „Ich habe erkannt, dass der Mann Traumata am Schädel hatte und ihn deswegen nicht bewegt. Danach habe ich seine Symptome beobachtet und bemerkt, dass der Verletzte Sprachstörungen aufwies. Zuerst habe ich gedacht, dass vielleicht ein Schlaganfall im Spiel sein könnte“, so die junge Frau. Während sie den Verletzten beobachtete, sei sie von einer anderen Frau gestört und krisitisiert worden, ohne dass diese selbst in irgendeiner Form geholfen hätte.

An der Einmündung der Feldstraße kam es zu dem schweren Unfall mit dem Fußgänger in Neuötting.
An der Einmündung der Feldstraße kam es zu dem schweren Unfall mit dem Fußgänger in Neuötting. © google maps

Helferin informierte Notärztin über Symptome

„Auch von dem chinesischen Restaurant half niemand,“ erzählt Celik weiter. „Und das, obwohl da immer wieder Leute herauskamen und die Szenerie beobachteten.“ Die Rettungskräfte sollen etwa 20 bis 30 Minuten nach dem Notruf am Unfallort eingetroffen sein. Celik sagt, ein paar ältere Passanten hätten den Rettungswagen zur Unfallstelle gewinkt und sie habe den Sanitätern bei ihrer Ankunft die Verletzungen und Symptome des Unfallopfers genannt. „An dem Punkt war die Atmung des Mannes schon sehr kritisch,“ sagt Celik. Während der Verletzte weiter von den Rettungskräften versorgt wurde, verlies Celik den Unfallort.

Einsatzkräfte bestätigen Anwesenheit von Schaulustigen

Mitarbeiter vom Roten Kreuz Altötting konnten bestätigen, dass sich einige Schaulustige am Unfallort befanden. Auch, dass eine Frau kurz vor der Versorgung des Verletzten mit der Notärztin gesprochen hatte. Michael Brünner, Sachbearbeiter der Polizeiinspektion Altötting, sagt, die Einsatzkräfte der Polizei seien erst nach dem Rettungsdienst am Unfallort eingetroffen. Sie hätten zwar bemerkt, dass sowohl vom benachbarten China-Restaurant, als auch von den Fenstern der gegenüberliegenden Wohnblocks aus Menschen zuschauten. Gefilmt habe nach Brünners Wissen nur der Unfallgutachter.

Für Ilayda Celik war das Erlebnis am Unfallort jedenfalls einschneidend. Sie wandte sich an Innsalzach24.de um die Leser dieses Artikels an Verbandskästen in ihren Autos zu erinnern. Außerdem wünscht sie sich für Notfälle wie diesen mehr konstruktive Mithilfe statt bloße Neugierde.

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