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Der Pilger und Adolf Hitler

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Über 7000 Menschen ziehen am Pfingstmontag in Altötting ein, darunter auch die Schloßberger und Rosenheimer Wallfahrer. Die Nacht davor verbringen die Pilger in Privatquartieren in Engelsberg und Garching. © re

Rosenheim/Altötting - Josef Bichler lernte den späteren Diktator im 1. Weltkrieg - diese Erlebnisse führten ihm näher zum Glauben. Er wurde Pilgerführer.

Was hat Adolf Hitler mit einer Wallfahrt zu tun? Die düstere Begegnung mit dem millionenfachen Mörder ließ Josef Bichler nicht mehr los und vertiefte in ihm nach schrecklichen Erlebnissen im Ersten und Zweiten Weltkrieg die Bereitschaft, sich vertrauensvoll der Gottesmutter zuzuwenden - und zu ihr mit vielen anderen Gleichgesinnten nach Altötting zu pilgern. Die Begeisterung für die Wallfahrt ist bis heute ungebrochen: Hunderte Gläubige aus dem Landkreis sind an Pfingsten wieder auf dem Weg zur "Schwarzen Madonna".

Rosenkranz betend marschieren sie vom Schloßberg aus rund 70 Kilometer nach Altötting. Ansporn ist für sie nicht nur diese besondere Form der Gottessuche, sondern auch die Begegnung mit anderen Menschen. Schritt für Schritt werden im Gespräch Lebenslinien nachverfolgt, ist von Hoffnung und Scheitern, von Verlust und Neubeginn die Rede.

Josef Bichler, der schon als junger Bursch mit 18 Jahren am Oberländer Bittgang - auch Auer Kreuzgang genannt - teilnahm, quälte zeitlebens die Erinnerung an eine düstere Begegnung mit Adolf Hitler, den er im Ersten Weltkrieg als Meldegänger kennen und wegen seiner Pläne und Ansichten schon damals verachten lernte. Hitler sei "ein Spinner", hielt er in seinen Aufzeichnungen fest.

Zum Dank, dass die Heimat von schweren Kriegsschäden verschont geblieben war und er selbst die Kriegswirren unbeschadet überlebt hatte, nahm Bichler nach dem Zweiten Weltkrieg als Pilgerführer den Kreuzgang zur Gnadenkapelle wieder auf. Der Dämon "Krieg" stand Pate für den Bittgang.

Die Wallfahrt geht auf das Gelübde dreier Soldaten zurück, die an Napoleons Feldzug 1812 nach Moskau teilnehmen mussten. Sie gelobten, zu Fuß nach Altötting zu gehen, wenn sie gesund wieder aus dem Krieg in die Heimat zurückkehren würden. Tatsächlich kamen sie nach vielen Schlachten und großen Entbehrungen auf dem Rückmarsch wieder in Au bei Aibling an.

Sie machten ihre Pilgerreise zunächst allein, aber nach und nach schlossen sich immer mehr Männer an, denn anfangs war die Wallfahrt reine Männersache. Vor dem Ersten Weltkrieg waren es etwa 70 Wallfahrer, die den Fußmarsch unternahmen. Während des Zweiten Weltkriegs waren Bittgänge verboten, danach aber machten sich Männer, Frauen und Kinder wieder auf zur Gottesmutter als Zeichen sichtbaren Glaubens. Der "Auer Kreuzgang" findet immer Mitte Mai statt und beginnt an der Schloßberger Kirche.

Gerade heute erfahren die Bittgänge und Wallfahrten eine Renaissance: Junge Menschen fühlen sich von dieser Form des Betens angezogen, schätzen die auf Wallfahrten herrschende Gemeinschaft. Die Begeisterung der Jugend ist es, die auch Sepp Kaffl fasziniert. Seit über 50 Jahren organisiert der Panger zusammen mit seiner Familie und einem mehrköpfigen Team die Pfingstwallfahrt der Legion Mariens Rosenheim. Die Rosenheimer schließen sich dabei einer Sternwallfahrt an, die in München ihren Anfang nimmt und Gläubige aus dem ganzen südostbayerischen Raum seit Jahrzehnten begeistert. Gut kann er sich noch an die Anfangszeiten erinnern: "Wir waren zunächst 16 Teilnehmer - zwei Männer und 14 Frauen". Dem damaligen Stadtpfarrer Otto Stauß gab er kurz vor seinem Tod das Versprechen, auch weiterhin die Rosenheimer Gläubigen nach Altötting zu führen - eine Aufgabe, die ihn seither erfüllt. Sepp Kaffl: "Ich gebe heute noch an die Wallfahrer das Motto von Pfarrer Stauß weiter, fröhliche Wallfahrer zu sein und bei jedem Wetter betend und singend zur Gottesmutter nach Altötting zu ziehen. Er legte uns ans Herz, dass nicht nur die Gebete wichtig sind, sondern auch die Gespräche mit anderen Wallfahrern, die oft mit großen Sorgen diese Wallfahrt mitgehen und dankbar sind fürs Zuhören."

Die Legion Mariens ist eine katholische Laienbewegung, die weltweit Anhänger gefunden hat. Die Pfingstwallfahrt der Legion wurde vor allem als Gebet für den Frieden und für eine Wiedervereinigung ohne Krieg begonnen. Kaffl: "Und wie wir erleben durften, wurden diese Gebete auch teilweise erhört."

Die Rosenheimer Wallfahrer treffen sich jedes Jahr am Pfingstsonntag um 3 Uhr morgens an der Kirche in Schloßberg und gehen dann über Kragling, Prutting, Söchtenau nach Halfing. Dort ist um 7 Uhr der feierliche Pfingstgottesdienst, den schon viele Jahre Pfarrer Dengler mit den Gläubigen feiert. Aufgrund der sehr stark befahrenen Strecke geht es mit dem Bus anschließend nach Obing und von dort wieder zu Fuß über Kienberg nach Emertsham und zur Übernachtung nach Engelsberg und Garching. Auf dem Weg dorthin treffen die Rosenheimer mit einem Teil der Münchner Gruppe zusammen. Kaffl. "Es ist immer großartig, wie unsere Gruppen mit etwa 1100 Wallfahrern in Garching, Engelsberg und Umgebung von der dortigen Bevölkerung untergebracht und betreut werden. Es entstanden schon viele Freundschaften und herzliche Verbindungen mit den Quartiergebern."

Am Pfingstmontag treffen dann mehrere Gruppen aus München und Freising in Heiligenstatt zusammen. Dann ziehen bis zu 7000 Wallfahrer gemeinsam nach Altötting, wo um 12 Uhr der feierliche Abschlussgottesdienst stattfindet. Für die Wallfahrt an diesem Pfingstwochenende ist übrigens keine Anmeldung mehr möglich.

"O'` Maria, hilf doch mir, ein armer Sünder kommt zu dir. Im Leben und im Sterben, lass mich nicht verderben, lass uns in keiner Todsünd' sterben. Steh uns bei im letzten Streit, o' Mutter der Barmherzigkeit", so lautet das Maria-Hilf-Gebet des Auer Kreuzgangs. Das mag wohl auch Josef Bichler inbrünstig gebetet haben, als er im Krieg zusammen mit sieben Mann verschüttet wurde. Er gelobte der Gnadenmutter, wenn er gerettet wird, nach Altötting zu gehen. Fast 50-mal löste er dieses Versprechen ein. "Maria hat geholfen" - zeitlebens hat es ihr Bichler gedankt. In seinen Erinnerungen schreibt er nachdenklich: "Der Meldegänger Josef Bichler wurde 1946 Pilgerführer des Auer Kreuzgangs. Der Meldegänger Adolf Hitler wurde 1933 der Parteiführer der NSDAP und Führer des Großdeutschen Reiches. Er hat sich 1945 als millionenfacher Mörder selbst gerichtet."

Eva-Maria Gruber/Oberbayerisches Volksblatt

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