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Matschküche statt Puppenherd, Steine statt Lego: So funktioniert der Garser Waldkindergarten

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Von: Kirsten Seitz

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Morgenkreis – Die Waldkinder aus Gars versammeln sich in ihrem Camp und besprechen alles, was der Tag bringt.
Morgenkreis – Die Waldkinder aus Gars versammeln sich in ihrem Camp und besprechen alles, was der Tag bringt. © Seitz

Den ganzen Tag im Freien verbringen, bei jedem Wetter: Das ist für die Mädchen und Buben vom Garser Waldkindergarten ganz normal. So sieht für die Kids ein Tag mit den „Wetterfeen“ aus.

Gars – Eine Weisheit der Schriftstellerin Marie von Ebner-Eschenbach (* 13. 09.1830, † 12. März 1916) lautete „Was wir heute tun, entscheidet darüber, wie die Welt morgen aussieht“. Worte, die sich offensichtlich schon die Kids in Gars zu Herzen nehmen. Seit September vergangenen Jahres gibt es hier für kleine Weltentdecker und Abenteurer einen Waldkindergarten.

Hier sind die Kids beim Ramadama unterwegs.
Hier sind die Kids beim Ramadama unterwegs. © Seitz

Am Waldrand gelegen, im Herzen von Mutter Natur. Als die Wasserburger Zeitung die kleinen Naturfreunde in der Frühe besucht, sind diese schon aktiv. Am vorletzten Märzwochenende war in Gars und Unterreit „Ramadama“ für jedermann angesagt. Logisch, dass die Kids von der „Eulenhöhle“ und dem „Fuchsbau“, denn so heißen die Schutzhäuser der Kids vom Waldkindergarten, dabei waren. Dick eingepackt in farbenfrohen Jacken, bunten Schals, Mützen und Gummistiefeln, zogen sie mit ihren Erzieherinnen los. Ihre Ausrüstung: Bollerwagen, Greifer, Eimer, Handschuhe und Müllsäcke. Sie lernen schon von klein auf, wie wichtig der Respekt vor der Natur und deren Bewohner ist. Dazu gehört auch, die Natur sauber zu halten, sagt Kindergartenleiterin Patricia Rieder.

Der Tag kann beginnen: Kinderpflegerin Barbara Eder zieht mit ihrer Gruppe los.
Der Tag kann beginnen: Kinderpflegerin Barbara Eder zieht mit ihrer Gruppe los. © Seitz

Sie und ihr Team sind sichtlich stolz auf ihre neue Einrichtung in Gars. Das Haupthaus des St. Antonius liegt zentral im Ort. Dort werden Kinder vom Babyalter bis zum Schulstart betreut. Das Haupthaus und der Waldkindergarten werden als zwei getrennte Einrichtungen geführt. Im Waldkindergarten werden aktuell 36 Kinder ab drei Jahren, aufgeteilt in zwei Gruppen, von sechs Pädagoginnen betreut. Träger ist das Franziskushaus in Au am Inn. Dessen Ziel ist es auch, dass alle Erzieher des Waldkindergartens ihre Ausbildung zum Natur- und Waldpädagogen machen. So wie Gruppenleiterin Kornelia „Konny“ Feckl. „Was für mich am stärksten ist, man lebt mehr mit den Kindern. Zumindest empfinde ich das so. Wir sind hier mitten in der Natur. Die Kinder interessieren sich für alles ,was sie sehen. Sei es eine Spinne, der Harz am Baum oder sonstiges. Solche Themen greifen wir dann auf und beschäftigen uns intensiv damit. Wir machen da ein richtiges Projekt daraus“, sagt Feckl.

Die Kinder erleben den Jahreskreis mit all seinen Festen und Bräuchen. Der Tag beginnt mit einem Morgenkreis. Hier gilt: Matsch- statt Puppenküche, Natur- statt Legosteine, Vogelgesang statt Disney-CD. Wie in einem normalen Kindergarten wird auch hier viel gesungen, gelesen, gespielt und vor allem gelernt.

Der Wald als Entdeckungsraum

Der Wald bietet dazu Idylle pur. Hier entdeckt man jeden Tag etwas Neues. „Wir arbeiten sehr partizipativ. Mit den Kindern wird besprochen was sie essen oder was für Spiele sie machen wollen. Wir greifen die Ideen der Kinder auf. Ihre Meinung und Bedürfnisse sind uns sehr wichtig. Sie sollen sagen, was sie mögen und was nicht“, sagt Feckl.

Gruppenleiterin Christine Huber vorne und Kinderpflegerin Barbara Eder ziehen mit ihrer Gruppe los. Ein neuer erlebnisreicher Tag im Wald steht an.
Gruppenleiterin Christine Huber vorne und Kinderpflegerin Barbara Eder ziehen mit ihrer Gruppe los. Ein neuer erlebnisreicher Tag im Wald steht an. © Seitz

Wichtiger Begleiter im Alltag: das Wetter

Die Erzieherinnen müssen nicht nur pädagogisch wertvolle Arbeit leisten, sie sind auch Wetterfeen. Schließlich entscheidet das Wetter über die richtige Kleidung. Im Sommer baute Stefan Asenbeck von kreativo Netzwerk mit Schülern im Rahmen des Ferienprogramms hübsche Skulpturen auf dem Areal des Waldkindergartens. Die Eltern bringen sich als fleißige Helfer und Handwerker mit ein und auch der Förster ist ein gern gesehener Besucher, berichtet das Personal. Zusammenhalt werde hier großgeschrieben, denn in der Natur müsse man sich blind aufeinander verlassen können.

Vorbereitung auf die Schulzeit

Bei ihren Wanderungen zieht es sie gerne auch mal zu den benachbarten Landwirten. Hier lernen die Kinder zum Beispiel, dass die Milch aus dem Euter der Kuh kommt und nicht aus dem Tetra Pak. Sogar Gemüse dürfen sie selbst ernten und sehen dadurch, wie das Möhrchen vom Erdreich auf den Teller kommt. Wie in jedem Kindergarten werden die Kids auch hier auf die Schulzeit vorbereitet. Themen aus dem lebenspraktischen Bereich, wie zum Beispiel Pflanzen und Tiere des Waldes, wechseln sich mit Schwerpunkten aus dem Mathematischen, Kognitiven oder Naturwissenschaftlichen ab. „Es ist eine andere Art von Wertschätzung. Natürlich auch der Natur, den Tieren und der Umwelt gegenüber. Die Bewegung draußen, die viele frische Luft, das ist natürlich gut für die Gesundheit“, ist die Kindergartenleiterin. überzeugt.

Lobende Worte findet das Team vor allem für die Gemeinde Gars. „Dass wir diesen tollen Waldkindergarten haben, verdanken wir der Gemeinde. Bürgermeister Otter hatte die Grundidee dazu. Das Konzept hat uns alle auf Anhieb total begeistert“, sagt Rieder. „Wir wurden bei allem eingebunden und hatten auch Mitspracherecht. Die Zusammenarbeit mit der Gemeinde ist einfach klasse“, setzt sie fort.

Arbeiten in der Natur: (links) Gruppenleiterin Kornelia Feckl und rechts die Leiterin vom Kinderhaus St. Antonius und Waldkindergarten in Gars, Patricia Rieder.
Arbeiten in der Natur: (links) Gruppenleiterin Kornelia Feckl und rechts die Leiterin vom Kinderhaus St. Antonius und Waldkindergarten in Gars, Patricia Rieder. © Seitz

Ein Lob auch auf die Eltern, denn sie entscheiden sich ganz bewusst für den Waldkindergarten und bringen sich hier mit ein, berichtet das Team. Doch auch mitten in der Natur könne man nicht komplett auf den Fortschritt verzichten. „Wenn bestimmte Kinderfragen aufkommen oder wir etwas finden im Wald, das wir nicht kennen, dann schauen wir in unserem Tablet nach“, erzählt Feckl. „Man muss ja wissen, ob so etwas giftig ist oder nicht. Bei uns gilt der Grundsatz, dass die Kinder hier nichts pflücken und nichts aus dem Wald essen dürfen. Das wissen sie aber auch“, erklärt Rieder.

Medienerziehung geht auch im Wald

Dafür sei das Tablet praktisch. Medienarbeit gehöre heutzutage auch zur Erziehung dazu, doch Medien sollten kontrolliert genutzt werden. Deshalb sei der Waldkindergarten so wertvoll. Forscher von der Universität Aarhus in Dänemark haben festgestellt, dass Kinder, die auf dem Land oder in Naturnähe aufwachsen, ein bis zu 55 Prozent geringeres Risiko für psychische Erkrankungen haben als Kinder, die in dicht bebauten Gegenden leben, wo kaum etwas Grün ist. Die Natur ist Balsam für Geist und Körper, sagt auch das Garser Erzieherinnenteam. Dazu komme, dass der Waldkindergarten von seiner Struktur und seinem Konzept her die Möglichkeit biete, alle Basiskompetenzen in motorischen, kognitiven, emotionalen und sozialen Bereichen zu fördern. Im Wald würden sich vielfältige Bewegungsanlässe und -möglichkeiten finden. Somit erhalte die psychomotorische Entwicklung optimale Anreize. Auch im kognitiven Bereich biete der Waldkindergarten vielfältige Förderanlässe: die Beobachtung von Tieren und Pflanzen, Sammeln und Ordnen von und Experimentieren mit Naturmaterial seien feste Bestandteile des Alltags im Waldkindergarten. Die Kids würden hervorragend auf die Schulzeit vorbereitet, so das Team.

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