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Mutmaßlicher Messerstecher: So lief der erste Prozesstag

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Von: Heinz Seutter

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Der 24-jährige, aus Nigeria stammende Asylbewerber Godwin B. muss sich ab Dienstag vor dem Landgericht Traunstein verantworten. © hs

Traunstein/Waldkraiburg - Ab Dienstag, den 26. Februar, muss sich ein 24-jähriger Asylbewerber aus Nigeria nach einer Tat, die sich am Tag der Krawallen in der Asylunterkunft an der Aussiger Straße ereignete, vor dem Landgericht Traunstein verantworten. Er soll mehrere Personen mit einem Messer verletzt haben.

Update, 16.45 Uhr: So lief der erste Prozesstag

Am ersten Prozesstag wurde die Anklageschrift verlesen und der Angeklagte, Zeugen, sowie Sachverständige sagten aus.

Im Prozess stellte sich heraus, dass es schon zwei Tage vor der Tat eine Konfrontation zwischen dem Angeklagten Godwin B. und dem Geschädigten N. gegeben hatte. B. betonte, er sei bei einem Streit wegen eines gestohlenen Kühlschranks, der sich in der Wohnung eines weiteren Bewohners befand schlichtend eingeschritten. Dabei sei es zu dem Streit mit N. gekommen. 

B. betonte, ebenso wie die übrigen Zeugen, sie hätten nichts mit den Krawallen, die sich zuvor an jenem Tag ereignet hätten zu tun gehabt. Einer der aussagenden Kriminalbeamten betonte, zwar sei das Gegenteil nicht nachweisbar, aber auf Grund der zeitweise chaotischen Zustände während der Ausschreitungen sei dies auch nicht eindeutig nachprüfbar gewesen.

Was dann bei der Konfrontation zwischen B. und N. und dem anschließenden Handgemenge geschah, wird noch im weiteren Prozessverlauf zu klären sein. B. beteuerte, der Streit sei von N. ausgegangen und dieser habe auch das Messer dabei gehabt und ihn damit attackiert. Alle Verletzungen, die er selbst, N. und andere Beteiligte des Handgemenges erlitten hätten, seien nicht durch seine Absicht entstanden. 

Als ein Problem stellte sich heraus, dass das verwendete Messer bei der Auseinandersetzung zerbrach. Dadurch konnten bei kriminaltechnischen Rekonstruktionen keine eindeutigen Nachweise erbracht werden, dass es die Tatwaffe war. 

Der Prozess wird nun am 11. März fortgesetzt. Dann werden weitere Zeugen und Sachverständige gehört werden. Als weitere Verhandlungstermine sind der 19. März und 1. April geplant. 

Update, 15.25 Uhr: Kriminalsachverständige sagen aus

Nach der Pause sagen nun drei Kriminalsachverständige aus. Der erste beschreibt die Schnitt-Spuren, die an der Kleidung von A. und N., sowie an der Schutzweste eines der Sicherheitsmitarbeiter gefunden wurden. Alle Untersuchungen hätten nahegelegt, dass die Beschädigungen durch einen scharfkantigen Gegenstand, wie einem Messer, erfolgt seien. Auf Grund der gebrochenen Klinge hätten keine Rekonstruktionen mit der mutmaßlichen Tatwaffe durchgeführt werden können. Mit vergleichbaren Klingen hätten die Schäden nicht hergestellt werden können.

Ein Spurenexperte des Landeskriminalamtes sagt als nächstes aus. Er hatte die Teile der mutmaßlichen Tatwaffe, sowie die schusssichere Weste des Sicherheitsmanns zur Untersuchung. Die Spuren an der Weste könnten nach seinen Angaben zu einem Angriff mit dem Messer stammen.

Der dritte Experte sagt aus, die Weste des Sicherheitsmitarbeiters sei vermutlich eher auf Schuss- als auf Stichsicherheit ausgelegt gewesen. Trotzdem sei es bei Labortests nicht möglich gewesen, diese mit der abgebrochenen Klinge zu durchdringen. Auch mit einem neuwertigen Messer dieser Art sei dies nicht möglich gewesen. Die Tests hätten auch ergeben, dass ein vergleichbares Messer bei eingesetzten Kräften zerbrach, wie denen, welche vermutlich bei der Kampfsituation darauf einwirkten.

Update, 13.40 Uhr: Erste Zeugen sagen aus

Zunächst sagen zwei Beamte der Polizeiinspektion Mühldorf am Inn aus. Aussagen von Zeugen hätten grundsätzlich den Vorfall zwei Tage zuvor bestätigt, bei dem der Angeklagte eingeschritten sein will. Eine Beteiligung an den Unruhen habe weder dem Angeklagten B., noch dem Geschädigten N. oder den anderen in diesem Verfahren betroffenen Bewohnern nachgewiesen werden können. Dies sei aber auf Grund der Lage vor Ort während der Krawallen nur schwierig zu ermitteln gewesen. Die befragten Zeugen der Ereignisse hätten das von der Staatsanwaltschaft geschilderte Tatgeschehen bestätigt. Insbesondere den Stich in den Rücken von N..

Im Verlauf des Handgemenges sei die Klinge des Messers vermutlich bei einem Stich gegen die Schutzweste von einem der Sicherheitsleute abgebrochen. Die abgebrochene Klinge sei dann möglicherweise im Laufe des Handgemenges in den Bereich der Eingangstüre geraten, wo sie letztendlich aufgefunden wurde. Bei B. habe sich dann der Griff der Klinge gefunden. Am Griff seien keine eindeutigen Spuren gefunden worden. Diese sei jedoch im Laufe des Handgemenges auch von verschiedenen Seiten angefasst worden.

"Letztendlich ließ sich nicht klären, warum der Angeklagte so gehandelt hat", betont einer der beiden Polizisten. Warum zwischen ihm und N. Spannungen herrschten, habe nicht geklärt werden können. Ein Rauschzustand als Grund sei unwahrscheinlich.

Auf die Beamten folgt A., ein ehemaliger Bewohner der Unterkunft, der nun andernorts lebt. Er stammt, ebenso wie B., aus Nigeria, ist aber Muslim. Die Vernehmung gestaltet sich zeitintensiv, da es immer wieder schwierig wird, mit ihm Details zu klären und ein Übersetzer benötigt wird. Immer wieder debattieren auch A. und B. einzelne Punkte ausführlich. Er habe den Angeklagten B. über mehrere Monate kennengelernt.

Warum es zu dem Streit vor dem Vorfall mit dem Messer am Tag der Krawallen zwischen B. und N. gekommen war, sei ihm nicht bekannt, betont A.

Zu dem Tatgeschehen sei er erst dazugekommen, als das Handgemenge zwischen B. und N. bereits ausgebrochen war. Er betont, auch auf mehrfache und ausführliche Nachfragen des vorsitzenden Richters, er habe nicht gesehen, ob B. N. in den Rücken gestochen habe oder ob das Messer erst ins Spiel kam, als schon ein Handgemenge ausgebrochen war. Als er versucht habe zu helfen, indem er B. von N. wegzog, sei auch er mit dem Messer verletzt worden.

Nach einer Pause sollen nun Sachverständige gehört werden.

Update, 11.08 Uhr: Angeklagter betont: Alles war ganz anders

Dann äußert sich B. zum Tag des Vorfalls selbst. Bereits zwei Tage davor sei ein Kühlschrank gestohlen worden. Derjenige, in dessen Raum sich der Kühlschrank dann befand, habe diesen nicht mehr herausgeben wollen und einen Streit begonnen. Diesen habe er damals in seiner Funktion als "Geistlicher" schlichten wollen. Dabei sei es zu einem Streit mit Handgreiflichkeiten mit dem Mann (namens N.) gekommen, den er später als erstes attackiert haben soll. 

Die Unruhen wegen des Abtransports der Kühlschränke zwei Tage später habe er nur beobachtet. Als diese vorüber waren, sei er mit Freunden spazieren gegangen und habe mit diesen zusammen zwei Bier und einen Energydrink getrunken. 

Der nachfolgende Streit, als er wieder in der Unterkunft gewesen war, sei von N. ausgegangen. Dieser habe ihn auch mit den Worten "heute werde ich dir dein Blut zeigen" bedroht. Bei ihrem ersten Konflikt sei es auch zu Schlägen gekommen. Das Messer habe N. gezogen gehabt, er selbst habe nur versucht, es ihm abzunehmen. Der anschließende Kampf um das Messer habe sich über mehrere Minuten hingezogen. 

Im Handgemenge seien dann er selbst, aber auch N., die anderen Mitbewohner und auch der Sicherheitsmann verletzt worden. Wie er schließlich in den Besitz des Messers geraten sei, könne er sich auch selbst nicht erklären. Am Ende des Gerangels habe er es plötzlich in Händen gehalten. 

Er selbst habe niemanden verletzen wollen und ihm tue alles sehr leid. Wie die Aussagen der anderen Beteiligten zustande kommen, könne er sich nicht erklären. Möglicherweise hätten sie sich gegen ihn verschworen. Es folgt die Beweisaufnahme.

Update, 10.20 Uhr: Angeklagter: "Ich höre Stimmen"

Der Angeklagte selbst, Godwin B., macht zunächst Angaben zu seiner Person. Er ist 1995 in Nigeria geboren. Als er etwa 17 Jahre alt war, sei seine Mutter bei einer Bombenexplosion gestorben. Sein Vater sei bereits, als er noch ein kleiner Junge war, verstorben.

Bereits als seine Mutter noch am Leben war, habe es Versuche gegeben, ihn für eine nicht näher benannte gewalttätige Organisation zu rekrutieren. Dies sei auch unter Anwendung von Gewalt geschehen. 2016 habe er sich daher zur Flucht entschieden und sei mit der Hilfe von Schleppern zunächst über Lybien und dann das Mittelmeer nach Italien gekommen.

Im Dezember 2017 habe er sich dann entschlossen, nach Deutschland zu gehen, weil er glaubte, dort Arbeit zu finden und besser verdienen zu können. Er sei zunächst in München und dann Waldkraiburg gewesen. Die Unterkunft dort habe er als in Ordnung empfunden, er habe aber keine Arbeit finden können. Sein Asylantrag sei schließlich abgelehnt worden und er habe mit einer Abschiebung gerechnet. Er betont, er sei gläubiger Christ. Bereits als er nach Italien kam, habe er sich, auf Grund einer Art höherer Eingebung, in seiner Unterkunft dort als eine Art Pastor gearbeitet.

Derzeit befinde er sich auch in psychiatrischer Behandlung. Seit er sich in Haft befinde höre er wieder Stimmen, die ihm beispielsweise befehlen würden, sich umzubringen. Diese habe er auch schon einmal nach dem Tod der Mutter vernommen. Er habe nun auch Träume, in denen er vergewaltigt und körperlich bedroht werde.

Update, 9.35 Uhr: Verlesung der Anklageschrift

Ein Bewohner der Einrichtung habe diese während der Krawallen gemeinsam mit seiner Freundin bewusst verlassen, um nicht in den Verdacht einer Beteiligung zu geraten. Als er Abends wieder zurückkehrte, sei es an der Geldauszahlungsstelle im Erdgeschoss der Einrichtung zu einem Streit mit dem Beschuldigten gekommen.

Während sich sein Opfer zurückgezogen habe, habe der 24-Jährige ein Messer in seiner Jacke versteckt. Vor den Aufzügen stehend habe er: “Ich werde euch töten. Ich brauche Blut” geschrien. Als der Geschädigte wieder zurückkehrte, sei es erneut zunächst zu einem Wortgefecht gekommen. Dabei habe der Angeklagter dem 39-Jährigen einen Schlag versetzt. Mitbewohner hielten ihn anschließend fest.

Der 39-Jährige habe sich daraufhin wieder zu seiner Freundin an der Auszahlungsstelle begeben. Als er gerade deren Kind auf den Arm nehmen wollte, sei der Angeschuldigte dazugekommen und habe ihm von hinten einen Stich in den Rücken mit dem Messer versetzt. Er habe auch noch versucht, ihm einen weiteren Stich in den Kopf zu versetzen, dabei erwischte er das Ohr seines Opfers.

Als Mitbewohner einschritten und versuchten ihn zu entwaffnen, habe er wahllos um sich gestochen und dabei einen von ihnen am Oberschenkel verletzt. Die Bewohner drängten den Messerstecher in Richtung des Sozialtrakts ab, wo Sicherheitskräfte auf das Geschehen aufmerksam wurden und einschritten. Daraufhin wurden auch sie attackiert und einer von ihnen verletzt.

Der Vorbericht:

Die Staatsanwaltschaft wirft ihm versuchten Mord, in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, versuchtem Totschlag und gefährlicher Körperverletzung vor. Er soll am Abend des Tags der Ausschreitungen einen 29-jährigen Mitbewohner in der Einrichtung mit einem Messer attackiert und schwer verletzt haben. Nur das Eingreifen weiterer Mitbewohner habe einen schlimmen Ausgang verhindert. Bei dem entstehenden Handgemenge erlitt ein Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes eine Schnittwunde am rechten Arm, ein weiterer blieb nur auf Grund der getragenen Schutzweste unverletzt. Drei Bewohner mussten mit leichten Verletzungen ambulant behandelt werden. Der 29-Jährige musste mit einer Stichverletzung am Oberkörper in ein Krankenhaus geflogen werden.

chiemgau24.de berichtet am Dienstag aktuell vom Verlauf des Prozesses.

Der Mann konnte schließlich überwältigt und entwaffnet werden, um anschließend der Polizei übergeben zu werden. 

Für den Prozess sind neben dem Verhandlungstermin am Dienstag noch Fortsetzungstermine am 11. März, 19 März und 1. April angesetzt. 

Bereits zwei Personen nach Krawallen vor Gericht

Anfang Juni des vergangenen Jahres hatte die Regierung von Oberbayern verordnet, die Kühlschränke aus der Asylbewerberunterkunft zu entfernen. In der Folge kam es zu schweren Ausschreitungen in der Asylunterkunft an der Aussiger Straße. Erst durch ein massives Polizeiaufgebot konnte die Lage wieder beruhigt werden. Zwei Personen mussten sich in der Folge bereits vor Gericht verantworten. Zum einen ein 20-jähriger Asylbewerber, der damals einen Mülleimer nach einer Gruppe von Polizisten warf. Er wurde Ende November des vergangenen Jahres vom Amtsgericht Traunstein zu vier Wochen Jugendarrest verurteilt. 

Zum anderen etwas mehr als eine Woche später die 24-Jährige, die durch ihr Verhalten wesentlich den Ausbruch der Krawallen verursachte. Das Amtsgericht stellte in der Verhandlung fest, dass erst durch ihren massiven Widerstand gegen den Abtransport ihres Kühlschranks die Unruhen ausgelöst wurden. Als schließlich die Polizei einschritt und sie auf die Inspektion verbracht werden sollte, sorgte sie für den Funken, der endgültig die Lage eskalieren ließ, als sie Mitbewohner zu Widerstand gegen die Beamten anstiftete. Sie erhielt "unter großen Bedenken" eine Freiheitsstrafe von elf Monaten zur Bewährung. Grundlage war, dass sie bis dahin nicht straffällig war und durch sie "kein allzu großer" Sachschaden entstand. 

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Ende November des vergangenen Jahres musste sich eine 24-Jährige nach den Krawallen vor Gericht verantworten. von links: Die Verteidigerin, die Angeklagte und eine Übersetzerin. © hs

"Sie haben ein Riesenglück gehabt, dass keiner der Beamten ernsthaft verletzt wurde", mahnte der vorsitzende Richter in ihrem Fall, "Es hätte zu Toten und Verletzten kommen können."

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