„Nur noch kurz die Welt retten“? Wieso Tim Bendzko vor dem Sommerfestival an bessere Tage glaubt

Er ist bekannt geworden mit dem Song „Nur noch kurz die Welt retten“. Am 20. Juli tritt Tim Bendzko beim Sommerfestival Rosenheim auf. Vorab spricht der Sänger im OVB-Exklusivinterview über die Aktualität seines ersten Hits, die größte Herausforderung im Musik-Geschäft und warum er lieber tagsüber in Boxershort schreibt als nachts.
Gibt es etwas, das Sie mit der Region Rosenheim verbinden?
Tim Bendzko: In Berlin haben wir ja alles, nur keine Berge. Dementsprechend gehe ich immer sehr, sehr gerne in die Berge. Vor allem seit Neuestem, wenn ich in den Bergen Fahrrad fahren kann.
Was hat Ihnen in der Corona-Pause am meisten gefehlt?
Tim Bendzko: Die Energie an einem lauen Sommerabend. Wenn tausende Leute einen Song mit mir singen, den ich unter der Dusche geschrieben habe. Das ist unbezahlbar und das habe ich schon sehr vermisst. Ich schreibe Songs, um sie mit meiner Band auf der Bühne zu spielen.
Sie freuen sich also auf das Sommerfestival in Rosenheim?
Tim Bendzko: Ja, die Vorfreude ist extrem groß. Da hat sich bei mir einiges angestaut an Energie und Tatendrang. Bei den Open Airs in den letzten Jahren hat man ja auch gesehen, dass die Gefahr sich anzustecken deutlich geringer ist.
Bringen Sie neue Lieder mit?
Tim Bendzko: Davor wird mindestens noch ein neuer Song erscheinen. Der wird sowieso gespielt, aber wir werden bestimmt auch ein, zwei unveröffentlichte Songs spielen, die auf dem nächsten Album sein werden.
In welche Richtung werden die Lieder gehen?
Tim Bendzko: Man soll nicht über ungelegte Eier reden. Da lassen wir uns mal überraschen. (lacht)
Haben Sie eine Botschaft an Ihre Rosenheimer Fans?
Tim Bendzko: Dass wir den Abend mit absoluter Sicherheit nicht vergessen werden. Wir hatten genug Zeit uns darauf vorzubereiten, deshalb kann man da einiges erwarten. Ich gehe davon aus, dass sich die Leute mindestens genauso auf das Konzert freuen wie wir. Da kann eigentlich nicht viel schief gehen.
Haben Sie noch Lampenfieber?
Tim Bendzko: Lampenfieber ist eine extreme Form der Aufregung, die habe ich nicht mehr. Ich bin natürlich schon ein bisschen unruhig vor einem Konzert. Aber ich habe keine Angst davor, auf die Bühne zu gehen. Dafür habe ich zu viele Konzerte gespielt. Und dafür singe ich zu viele Songs, bei denen ich mir sicher bin, dass die Leute sie kennen. Das macht einen Abend deutlich entspannter.
Was macht Ihnen an Ihrem Beruf am meisten Spaß?
Tim Bendzko: Das sind viele kleine Momente. Zum Beispiel wenn ich einen Song schreibe und ihn sofort vor mir sehe. Wenn ich durch eine Eingebung weiß, was das für ein Song wird, dass es nur noch wie Kreuzworträtsel lösen ist. Oder wenn ich die letzte und wichtigste Zeile suche und spüre, dass sie mir gleich einfällt. Oder bei einem Konzert, wenn die Leute mit voller Stimme einen Song von mir singen, den ich vor vielen Jahren in Boxershorts geschrieben und mir dabei vorgestellt habe, dass die Leute ihn singen erden. Das sind kleine Dinge, bei denen ich das Gefühl habe: Das ist der Grund, warum ich das mache.
Schreiben Sie denn immer nachts in Boxershorts?
Tim Bendzko: Nein, ich bin ein totaler Tagsüber-Mensch. Nachts schlafe ich, da schreibe ich keine Songs. Ich muss mich wirklich dafür hinsetzen. Gerade jetzt, ich bin ja Vater geworden. Ich kündige an, dass ich morgen einen Song schreibe. Dann bin ich den ganzen Tag im Keller und arbeite. Es kann sein, dass ich mit der Gitarre vor mich hin klimpere und etwas singe. Es kann aber auch sein, dass ich einen Song am Rechner programmiere. Oder ich mache mit anderen zusammen Musik.
Was inspiriert Sie?
Tim Bendzko: Alles was mir passiert, kann in einem Song landen. Es ist nicht so, dass ich einen Baum sehe und denke: Ich schreibe über einen Baum. Es ist oft so, dass Sachen, die mich lange beschäftigen, in einem Song enden. Irgendwann mal, nicht tagesaktuell, sondern über Monate hinweg.
Was würden Sie jungen Künstlern raten?
Tim Bendzko: Zu lernen, die eigenen Sachen zu würdigen. Als ich ganz jung war, so mit 13, habe ich immer darauf gehofft, dass mich jemand entdeckt und zu mir sagt: Mensch, das ist toll, was du machst. Aber am Ende des Tages ist die größte Herausforderung, selbst für sich zu entscheiden, ob die Sachen gut sind. Ich seh das in Zeiten von Social Media. Viele Leute schicken mir Songs und fragen mich, was ich davon halte. Es ist egal, was ich davon halte. Du musst entscheiden, was du davon hältst. Das ist die größte Hürde eines Künstlers. Man denkt immer: Ich könnte das noch besser machen oder das ist nicht gut genug.
Also sollten sich Musiker davon befreien Anderen zu gefallen. Kann man das allgemein aufs Leben übertragen?
Tim Bendzko: Das kann man.
Hatten Sie Vorbilder?
Tim Bendzko: Vorbild klingt immer so, als würde man irgendwem was nachmachen wollen. Das habe ich immer versucht zu vermeiden. Ich fand fast alles toll, das deutschsprachig und Popmusik war – Grönemeyer, Xavier Naidoo, Laith Aldeen. Wie sie mit Sprache umgegangen sind, hat mich inspiriert. Ich wusste eigentlich immer, dass ich Sänger werden will, deshalb war mir klar: Am Ende muss ich mein eigenes Ding finden.
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Wie findet ein Sänger sein eigenes Ding?
Tim Bendzko: Das geht nur übers Songschreiben. Das wäre mein zweiter Tipp an junge Songwriter. Man schreibt einen Song, der ist grausam. Dann schreibt man einen, der ist ein bisschen weniger grausam. Und so weiter.
Für welche drei Dinge sind sie am dankbarsten?
Tim Bendzko: In erster Linie für meine Familie, das ist das Wichtigste. Da hätte man nicht mehr Glück haben können als ich. Und dass ich und alle um mich herum gesund sind – gerade in diesen Zeiten. Ich weiß gar nicht, ob mir noch eine dritte Sache einfällt. Da würde ich lieber noch einen halben Punkt an die anderen beiden Sachen abgeben.
Gibt es noch etwas, das Sie loswerden wollen?
Tim Bendzko: Optimistisch bleiben. Wenn man in den letzten Jahren die Nachrichten verfolgt, könnte man immer das Gefühl gewinnen, dass die Welt kurz vorm Untergehen steht. „Nur noch kurz die Welt retten“ ist vor elf Jahren erschienen und jedes Jahr bin ich gefragt worden: Ist es nicht krass, wie aktuell dieser Song ist? Ich finde es bezeichnend, dass wir jedes Jahr das Gefühl haben, die Welt geht unter und sie ist doch nicht untergegangen. Trotz der schlimmen Sachen, die um uns herum passieren, haben wir allen Grund zu glauben, dass bessere Tage kommen.
Das Rosenheimer Sommerfestival startet am 15. Juli mit „The BossHoss“. Am Samstag, 16. Juli, tritt Clueso auf. Der britische Sänger James Blunt kommt am Montag, 18. Juli, nach Rosenheim. Tim Bendzko singt am Mittwoch, 20. Juli. Am 21. Juli folgt die Band „Deep Purple“. Der Österreicher Hubert von Goisern gibt seine Lieder am Freitag, 22. Juli, zum Besten. Am letzten Tag des Sommerfestivals am 23. Juli tritt die Gruppe „Dicht & Ergreifend“ auf.