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MVV-Beitritt zum falschen Zeitpunkt? Kopfschütteln und Kritik bei Busunternehmern

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Von: Martin Lünhörster

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Am 10.Dezember tritt der Landkreis dem MVV bei. Nicht alle sehen dem Beitritt freudig entgegen.
Am 10. Dezember tritt der Landkreis dem MVV bei. Nicht alle sehen dem Beitritt freudig entgegen. © dpa/Schlecker/re

Es ist ein heiß diskutiertes Thema: der MVV-Beitritt von Stadt und Landkreis Rosenheim. Für die Bürger wird‘s billiger und komfortabler, für Stadt und Kreis teuer. Kritisch blicken die Busunternehmer auf das Projekt. Und sie schütteln den Kopf. Sie halten den Zeitpunkt für extrem ungünstig.

Rosenheim - Der Rosenheimer Kreistag hatte zuletzt mit großer Mehrheit beschlossen, dass der Landkreis künftig Mitglied des Münchner Verkehrs- und Tarifverbund MVV sein soll. Die Entscheidung des Stadtrates Rosenheim steht noch aus. Sie soll in der Sitzung am 1. März fallen.

Für die Fahrgäste hätte der Beitritt den großen Vorteil, künftig nur noch ein Ticket zu benötigen. Doch wie stehen die heimischen Busunternehmer dem Thema gegenüber?

„Prinzipiell ändert sich für die Busunternehmer nichts”, sagt Oliver Kirchner, der Geschäftsführer der RoVG. Bislang und auch künftig wird die Aufgabe des ÖPNV über die RoVG GmbH organisiert. Ein einheitliches Tarifsystem im Landkreis gab es bisher allerdings nicht. Besonders Fahrgäste, die nur gelegentlich mit dem Bus unterwegs sind, mussten sich bisher bei den verschiedenen Anbietern immer neu orientieren und informieren. Auch ein umfangreiches digitales Angebot wie Apps gab es bisher nicht. Das soll mit dem Beitritt zum MVV nun anders werden.

„Die RoVG wird das Bindeglied zwischen MVV und den Aufgabenträgern in Stadt und Landkreis Rosenheim sein. Die RoVG wird weiterhin die Fahrpläne in Abstimmung mit dem Landkreis und der Stadt Rosenheim gestalten”, sagt Kirchner. Für die Fahrgäste hat der MV- Beitritt aber noch einen weiteren Vorteil. Die Fahrpreise sind vernehmlich günstiger als bisher. 

Beitritt mit hohen Kosten verbunden

Was die Fahrgäste freut, allerdings muss diese Differenz von Stadt und Landkreis aufgefangen werden. Durch den Beitritt zum MVV-Tarif entstehen sogenannte Harmonisierungs- und Durchtarifierungsverluste. „Natürlich ist es so, dass dort, wo der MVV-Tarif günstiger ist als der Haustarif, dort findet eine sogenannte Abtarifierung statt”, so Kirchner.

Die aus diesen Verlusten entstehenden Mindereinnahmen der Verkehrsunternehmen im ÖPNV müssen durch den Landkreis Rosenheim als Aufgabenträger ausgeglichen werden. Die Verluste im Schienenpersonennahverkehr werden in den kommenden fünf Jahren aber zu 90 Prozent vom Freistaat übernommen. Nach diesen fünf Jahren übernimmt Bayern sogar 100 Prozent der Verluste. Wegen dieser finanziellen Unterstützung sprach Landrat Otto Lederer bei der vergangenen Kreistagssitzung davon, dass „jetzt ein guter Zeitpunkt für einen MVV-Beitritt” sei.

Nicht alle sind über den Zeitpunkt glücklich

Den Zeitpunkt für einen MVV Betritt sehen aber nicht alle als glücklich an. „Zum jetzigen Zeitpunkt war es aus meiner Sicht der Politik nicht möglich, eine sachliche Entscheidung zu treffen”, sagt Claudia Hollinger, Geschäftsführerin des Hollinger Ominibusunternehmens in Bad Aibling. „Durch die Einführung des Deutschlandtickets wird die ganze ÖPNV-Landschaft auf den Kopf gestellt. Man weiß noch nicht, wie sich das entwickelt.”

Das Deutschlandticket soll nach aktuellen Planungen am 1. Mai eingeführt werden. Damit wird das Fahren im Nahverkehr mit Bus und Bahn für Pendler teils deutlich günstiger. 49 Euro soll das Ticket im Monat kosten und als Abo-Modell angeboten werden. In erster Linie richtet sich das Ticket besonders aufgrund des Abo-Modells an Vielfahrer und auch Pendler. 

Hier befürchtet Hollinger ähnliche Umsetzungsschwierigkeiten wie beim 9-Euro-Ticket. Das war von Juni bis August 2022 gültig. „Die bayerische Umsetzungsverordnung ist in der zweiten Augusthälfte veröffentlicht worden, also zu einem Zeitpunkt, als das Thema schon fast vorbei war.” Von der Politik würde sie sich wünschen, dass die Dinge erst komplett durchdacht werden, bevor es zu einer Einführung kommt. „Und sich nicht erst im Nachhinein überlegt, wie das überhaupt umgesetzt werden kann.”   

Beitritt seit Langem in Arbeit

Die Planungen für einen Beitritt zum MVV und die Integration in den Verbund laufen seit geraumer Zeit. „Alleine die Vorgespräche und die Vorbereitungen für die politischen Gremien waren schon sehr aufwändig”, sagt Kirchner, „damit überhaupt die Politik so weit informiert war, um darüber abstimmen zu können.”

Das MVV-Gebiet umfasst die Landeshauptstadt München und die Region. Ob Stadt und Landkreis Rosenheim dem Verkehrsverbund beitreten sollen, darüber diskutieren derzeit die verantwortlichen kommunalen Gremien.Klinger
Das MVV-Gebiet umfasst die Landeshauptstadt München und die Region. Ob Stadt und Landkreis Rosenheim dem Verkehrsverbund beitreten sollen, darüber diskutieren derzeit die verantwortlichen kommunalen Gremien. © Klinger

Denn trotz der staatlichen Förderung kommen hohe Kosten auf den Landkreis zu. Ab dem Beitritt am 10. Dezember finanziert der Kreis anteilig die Tätigkeiten des MVV mit. Diese sogenannten Regiekosten belaufen sich auf bis zu 800.000 Euro. Hinzu kommt der Ausgleich der Mindereinnahmen. Die Finanzplanung des Kreishaushaltes rechnet ab 2024 mit Kosten von bis zu 2 Millionen Euro jährlich. Mit der Einführung des Deutschlandtickets könnte sich dieser Betrag aber reduzieren.

„Jeder investierte Euro kommt den Bürgern zugute”, sagte Landrat Otto Lederer, als der Beitritt beschlossen wurde. Der Beitritt des Landkreises zum MVV soll auch dazu beitragen, dass die Umwelt- und Klimaziele erreicht und die Kommunen vom Individualverkehr entlastet werden. Dafür müsse das ÖPNV-Angebot weiter ausgebaut und besser vernetzt werden, sagte Lederer. Um das zu erreichen, „werden wir jede Bus-Unternehmerin und jeden Bus-Unternehmer brauchen.“

Noch keine Richtlinien vorhanden

Bis dahin gäbe es aber noch viel zu tun, da noch lange nicht alles geklärt sei, sagt Hollinger. „Die bayerische Richtlinie zum Deutschlandticket soll die Abrechnungen und die Modalitäten regeln. Diese Richtlinie gibt es aber nicht nicht, sie ist noch in Arbeit. Wir wissen noch nicht, wie das überhaupt umgesetzt werden soll.”

Eine Übersicht über die aktuellen Preise und wie sich diese nach einem MVV-Beitritt verändern würden.
Eine Übersicht über die aktuellen Preise und wie sich diese nach einem MVV-Beitritt verändern würden. © Verena Klinger

Die RoVG erhofft sich trotzdem von dem Beitritt höhere Fahrgastzahlen. „Mit dem MVV wird die Nutzung des ÖPNV einfacher”, meint Kirchner. „Ein Ticket für alle Verkehrsmittel. Künftig hat man nur noch einen Fahrschein und das macht den ÖPNV interessant.” Letztendlich seien ja auch Preisminderungen zu erwarten. 

Dennoch koste der Beitritt viel Geld. Geld, das für Hollinger an anderer Stelle besser investiert wäre. „In meinen Augen wäre es viel sinnvoller, das Geld zu nutzen, um das ÖPNV-Angebot auszubauen.” Alleine der Beitritt zum MVV weite das ÖPNV-Angebot nicht aus, er führe lediglich dazu, dass ein Tarif angewendet wird. „Vor dem Hintergrund, dass das komplette Netz zukünftig auch mit dem Deutschland-Ticket abgedeckt wird, ist es in meinen Augen fraglich, ob Verbünde zukünftig überhaupt noch benötigt werden.”

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