Wasserburger Angstexperte klärt auf
Macht uns Corona sorglos? Professor Peter Zwanzger über den „Worry Burnout“
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Die Corona-Inzidenzen liegen bei über 1000. Eigentlich ein Grund sich Sorgen zu machen und doch scheint das Leben ganz normal weiter zu gehen. Werden wir sorglos? Psychologe Professor Dr. Peter Zwanzger vom kbo-Inn-Salzach-Klinikum in Wasserburg klärt auf, was dahinter steckt und warum „Worry Burnout“ der falsche Begriff ist.
Wasserburg – Die Corona-Inzidenzen liegen bei über 1000. Die Zahlen der Neuinfektionen brechen täglich Rekorde und doch scheint sich niemand so richtig Sorgen zu machen. Im Gegenteil, die Maßnahmen werden gelockert, die ersten Sommerurlaube werden geplant, das Leben scheint ganz normal weiter zu gehen. Stumpfen wir ab?
Zwanzger: Es ist eine gesunde Entwicklung
„Ja“, sagen zumindest einige amerikanische Psychologen und haben bereits den passenden Begriff dafür gefunden. „Worry Burnout“ - Sorgen Burnout. Die Symptome sollen unter anderem, Vermeidung von Nachrichten, chronische Erschöpfung und Hoffnungslosigkeit sein. Im Grunde genommen also: Wir können nicht mehr und deshalb werden wir sorglos.
„Worry Burnout“ ist nicht der richtige Begriff
Professor Peter Zwanzger, Experte für Angststörungen und Ärztlicher Direktor des kbo-Inn-Salzach-Klinikums in Wasserburg, hält den Begriff „Worry Burnout“ jedoch nicht für ganz richtig. „Grundsätzlich gibt es natürlich alle möglichen psychischen Entwicklungen, die die Menschen in der Pandemie durchmachen.“ Dass es somit auch Personen gibt, die jegliche Art von Vorsicht ablegen und sich nicht mehr Infomieren wollen, bestreitet auch Zwanzger nicht. „Es gibt durchaus welche, die sich nicht mehr testen und nicht mehr impfen lassen wollen. Das ist aber nicht die Mehrheit“, stellt Zwanzger klar. Vielmehr sei das „Abstumpfen“, das derzeit viele Personen erleben eine natürliche und auch gesunde Reaktion. „Wir müssen uns an die Situation gewöhnen, sonst drehen wir durch.“ Denn auch das „Sorgenhirn“ könne nicht durchgehend beansprucht werden. Sich zu viele Sorgen zu machen, das könne zur Belastung zu werden.
Zwanzger: „Was wir erleben ist eine Resilienzstärkung“
„Was wir jetzt erleben, ist eine Resilienzstärkung“, erklärt Zwanzger. Resilienz meint dabei einen Fachbegriff aus der Psychologie und beschreibt die Fähigkeit schwierige Lebenssituationen, ohne anhaltende Beeinträchtigung, zu überstehen.
Eine solche Resilienzstärkung konnten Psychologen auch schon in der Vergangenheit beobachten. „Das haben wir zum Beispiel nach 9/11 erlebt“, erklärt Zwanzger. Das Gehirn gewöhne sich an den Dauerstress und die Dauerbelastung und entwickle Möglichkeiten, um damit klar zu kommen. Dazu gehöre auch, dass weniger Nachrichten konsumiert werden. Aber nicht nur bei Katastrophen entwickeln wir Resilienz, auch im kleineren Ausmaße kommt das Phänomen vor. „Zum Beispiel wenn es glatt wird draußen. Nachdem wir zweimal hingefallen sind, lernen wir, vorsichtig zu sein und aufzupassen“, so Zwanzger.
Austausch mit anderen ist wichtig
Aber natürlich könne auch diese entwickelte Resilienz zu Unvorsicht und Sorglosigkeit führen, damit dies nicht passiert, sei der zwischenmenschliche Ausstausch wichtig. „Ich denke, es ist wichtig, dass wir im Gespräch bleiben. Zum Beispiel mit Freunden und Familie und uns rückversichern, wie diese die Situation wahrnehmen.“