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Der Segler mit dem Tinyhouse: Wie Lukas Hesse aus Pfaffing den Sport revolutioniert

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Von: Karlheinz Günster

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Lukas Hesse im Tiny-House.
Lukas Hesse im Tiny-House. © Günster

Er liebt den „sauberen Sport“. Mit 23 Jahren hat sich Lukas Hesse aus Pfaffing die Nachhaltigkeit auf das Segel geschrieben. Mit den „Clean Sailors“ will er den Sport revolutionieren. Was ein Tinyhouse damit zu tun hat.

Pfaffing – Schnell zu segeln und dabei Wettbewerbe zu gewinnen und sich andererseits für Umweltverträglichkeit, Reduzierung und Nachhaltigkeit einzusetzen, zu diesem selbst gewählten Widerspruch, hat sich Lukas Hesse ausführlich Gedanken gemacht.

Bei Bedarf Standortwechsel

Zuhause in Pfaffing wartet deshalb ein Tiny-House auf die Fertigstellung. Diese Art von Häusern sind angesichts des steigenden Flächenverbrauchs ein Gegenpol zum ständigen „größer, schneller und weiter“. Meist steht es auf Rädern, um den Standort bei Bedarf zu wechseln.

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Im Ingenieur-Studium zum Innenausbau in Rosenheim, stellte der 23-Jährige fest, dass Wohnungen und Zimmer knapp und teuer sind, da bietet sich ein kleines Haus an. Sein Vater ist Schreinermeister, die Arbeit mit Holz mag auch der Sohn. Das Tiny-House baut er zusammen mit seiner Freundin Nele, sie ist ebenfalls Studentin in Rosenheim.

Schon nahezu bewohnbar

Von außen fehlt noch die Verkleidung, von innen ist das Häuschen schon nahezu bewohnbar. Jedes Fach erfüllt hier einen Zweck, jeder Kasten ist ebenfalls bis ins Detail geplant, und sei es die Bank mit dem Wassertank darunter. Ein mobiles Haus kommt ihm auch als Sportler zu Gute. Denn derzeit ist der Hesse aber nahezu die Hälfte des Jahres beim Segeln. Das sollte, wenn es nach ihm geht, auch im späteren Berufsleben so bleiben. „Eine reine 40-Stunden-Woche wäre nichts für mich“, bekennt er freimütig. Gerne würde er später einmal den Innenausbau von Booten planen und berechnen. Werften liegen am Wasser, auch hier ist sein mobiles Haus also von Vorteil.

Doch von Wettkampf zu Wettkampf zu fahren oder zu fliegen, was hat das mit Nachhaltigkeit zu tun? „Viel“, antwortet Lukas Hesse überzeugt. Sicher sei dieser Sport der Umwelt nicht uneingeschränkt zuträglich, aber es ist eine Variante, die nur mit Wind, Wasser und dem menschlichen Können funktioniert.

Zudem sei es ein menschliches Grundbedürfnis, sich mit anderen zu messen. Warum solle man das streichen, statt es zu verbessern? Immerhin finde hier, vor allem in der höheren Klasse, viel Forschung statt. Es gehe um die Bewegung durch die Luft, die Nutzung des Windes und die Verminderung der Reibung auf dem Wasser, „da sind Firmen wie Airbus mit dabei, die haben ja auch selber etwas davon“.

Stand der Technik sei, dass sich die Boote ab einer bestimmten Geschwindigkeit aus dem Wasser erheben und auf kleineren Tragflügeln, den Foils, fahren, sodass über 100 Stundenkilometer möglich sind. Das vermindere die Reibung enorm. Warum sollte man das aufgeben, statt es zu verbessern?, fragt Hesse. All das könnte man ja umweltfreundlicher machen, und dabei fällt ihm einiges ein.

Bereits im extrem haltbaren Material steckt dafür Potenzial, ist Hesse überzeugt. Es müsse widrigste Umstände aushalten, mechanische Belastung, Salzwasser und UV-Licht. Das geschehe mit einem Verbund, der später für eine Wiederverwertung aber nur schwer zu trennen ist. Eine Alternative für die aktuell verwendeten Carbonfasern könne Flachs sein, mit dem es bereits erste vielversprechende Projekte gibt. Außerdem sollten die gut sieben mal drei Meter großen und bis zu 200.000 Euro teuren Boote besser zu nutzen sein, also mit mehreren Teams. Somit werde der Ressourceneinsatz reduziert und es entfielen viele deren Transporte.

Er selbst reise sogar mit dem Zug zum Gardasee oder zum Finale nach Barcelona, das Boot ist ja schon dort. Ein eigenes Wettkampfboot hat er nicht, ein eigenes Auto auch nicht, da nutzt er lieber Carsharing, also das Teilen von Autos.

Segelstoff könne später auch weiter verwendet werden, alleine in seinem Tiny-House findet sich einiges davon; und ein ordentliches Mülltrennungs- und Abwasserentsorgungssystem in allen Häfen weltweit wäre auch ein Fortschritt. Mit dieser Einstellung ist Hesse nicht allein, dafür setzen sich die „Clean Sailors“, die sauberen Segler, www.cleansailorsyouthracingteam.com ein.

Die Leidenschaft fürs Wasser und speziell zum Segeln entdeckte Hesse schon als Sechsjähriger nach einem Schnupperkurs auf dem Chiemsee. Von da an ging es in der jeweiligen Altersklasse von einer Regatta zur nächsten.

Prägend war ein Wettbewerb auf Bermuda, mit 13 war er dort und hat vor Ort viele neue Bekanntschaften in die ganze Welt geknüpft. „Das war dort eine meiner wichtigsten Erfahrungen“. Stets halfen ihm auch wohlwollende Lehrer am Wasserburger Gymnasium, die Fehlzeiten ermöglichten und Facharbeiten verschoben oder es ihm erlaubten, Prüfungen zeitgleich etwa am Bundesstützpunkt in Kiel abzulegen. Zeitweilig segelte er fürs Olympiateam und für die Nationalmannschaft bei internationalen Regatten.

„Ich will der beste Segler werden, der ich sein kann“, gibt er selbstbewusst vor. Es komme bei diesem Sport darauf an, „das Wasser zu lesen“, den Wind richtig einzuschätzen und dann die passenden Entscheidungen zu treffen. Hinzu komme die hohe Geschwindigkeit, das Spüren der hohen auftretenden Kräfte bei Manövern und vor allem darauf, die Nerven bei einer großen Anspannung zu behalten. „So ein Rennen läuft weitgehend automatisch ab, da hat man nicht viel Zeit zum Nachdenken, alles muss schnell gehen, Fehler werden sofort abgehakt.“

Jeder auf dem Boot habe seine Aufgabe, einer kümmere sich ums Steuer, der zweite um die Foils, und er selbst sei für die Segel verantwortlich, aber alles müsse Hand in Hand laufen.

StetigesTraining erforderlich

Aktuell segelt Hesse mit seinem internationalen Team in der 69F-Klasse (6,9 Meter lang und Foils), 35 Knoten werden dabei erreicht, was 65 Stundenkilometern entspricht.

Ein Boot auf Foils mit drei Mann Besatzung, Lukas Hesse ist in der Mitte.
Ein Boot auf Foils mit drei Mann Besatzung, Lukas Hesse ist in der Mitte. © re

All das empfindet er auf jeden Fall als „Leistungssport“, denn es gehört ständiges Ausdauertraining dazu, „sonst hält man kein Rennen durch“. Eines dauert zwölf Minuten, sechs am Tag sind es.

Darüber hinaus organisiert er Sponsoren, die sich mit seiner Art und Weise, den Sport mit möglichst geringem ökologischem Fußabdruck zu betreiben, identifizieren können. Immerhin hat er einen Bedarf von über 70.000 Euro im Jahr.

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