1. innsalzach24-de
  2. Bayern
  3. Landkreis Rosenheim

Nach Flutkatastrophe im Westen Deutschlands: Bund prüft Einführung von Cell Broadcast

Erstellt: Aktualisiert:

Von: Moritz Kircher, Rosi Gantner, Janina Sgodda

Kommentare

Der Katastrophenwarntag im September 2020 offenbarte Mängel. Das zeigte sich unter anderem im Kreis Rosenheim. Katastrophenwarnungen kommen meist nur über Apps aufs Handy. Technisch ginge es viel einfacher. Hätte „Cell Broadcast“ bei der Flut in Rheinland-Pfalz und NRW Menschenleben retten können?

Update 22. Juli 2021

Nach Flutkatastrophe: Diskussion um Einsatz von Cell Broadcast

Der Katastrophen-Warntag im vergangenen Jahr hatte es gezeigt: Das System von Warnungen im Katastrophenfall in Deutschland hat Lücken und funktioniert mitunter mangelhaft. Nach den verheerenden Hochwassern mit mehr als 100 Toten in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen tobt nun eine politische Diskussion. Wer ist verantwortlich? Und hätte die Bevölkerung besser gewarnt werden können? Ja, sagt so mancher Experte.

Die Technik, mit der beispielsweise der niederländische Staat mehr als 90 Prozent der Bevölkerung sofort auf dem Handy per Textnachricht warnen kann, nennt sich „Cell Broadcast“. Auch einige andere Staaten weltweit nutzen dieses System, mit dem Textnachrichten auf jede Form von eingeschaltetem Handy gesendet werden können, das sich in einer bestimmten Funkzelle befindet. Dazu ist keine App nötig.

Machbarkeitsstudie für Cell Broadcast in Auftrag gegeben

Auch in Deutschland könnte Cell Broadcast schon im Einsatz sein. Doch erst jetzt, nach verpatztem Warntag und der tödlichen Hochwasser-Katastrophe kommt eine Diskussion über die Einführung in Gang. Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) stellt nun in Aussicht, dass die Bevölkerung bei Hochwasser und anderen Gefahren künftig auch per SMS gewarnt werden soll.

Lesen Sie auch: Für Flutopfer – Hobbydrechsler Michael Knieb sammelt binnen 48 Stunden über 1700 Euro

Der Präsident des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK), Armin Schuster, habe zur Warnung per Cell Broadcasting bereits im Frühjahr eine Machbarkeitsstudie in Auftrag gegeben, sagte Seehofer. Schuster gehe davon aus, dass das noch vor der Bundestagswahl erwartete Ergebnis positiv sein werde.

Nicht einmal Datenschützer halten Cell Broadcast für bedenklich

„Cell Broadcast, also die Warnung per SMS, muss ein Teil des Warnsystems sein“, schrieb Deutsche-Telekom-Chef Tim Höttges im Netzwerk LinkedIn. Die Telekom könne das dafür notwendige System aufbauen. Die Handyfunkmasten sind dafür angeblich standardmäßig ausgerüstet – auch in Deutschland.

Beim Cell Broadcasting wird ähnlich wie bei einer SMS eine Nachricht an Handy-Nutzer verschickt - und zwar an alle Empfänger, die sich zu dem Zeitpunkt in der betreffenden Funkzelle aufhalten. So könnten zum Beispiel gezielt Handynutzer gewarnt werden, die sich in einem Gebiet befinden, auf das ein schweres Unwetter oder eine Flutwelle zurollt.

Lesen Sie auch: Bad Aiblinger Uwe Hecht fährt ins Hochwassergebiet und hat einen Berg an Spenden dabei

Für die Warnung vor akuten Gefahren sei ein Mix aus analogen und digitalen Methoden notwendig, betonte Seehofer. Sirenen alleine seien kein Allheilmittel, denn «es reicht ja nicht aus, nur akustisch zu warnen, die Bevölkerung muss ja auch wissen, was sie tun soll».

(Mit Material von dpa)

+++

Update 10. September 2020, 15.55 Uhr

Technik hält bundesweiter Katastrophenwarnung nicht statt

Die Technik hat offenbar beim bundesweiten Test der Warn-App dem „Ansturm“ nicht standgehalten. Das ist die Erklärung des Bundesamtes für Bevölkerungs- und Katastrophenschutz in Bonn für die verspätete Zustellung der Warnung. Grund laut der Behörde: eine nicht vorgesehene zeitgleiche Auslösung einer Vielzahl von Warnungen. „Das im Vorfeld mit den beteiligten Partnern besprochene Auslösekonzept sah eine reine Auslösung durch den Bund vor“, erklärt eine Sprecherin.

Lesen Sie auch:

Knapp an der Katastrophe vorbei: Mit Kraftstoff beladener Güterzug fängt bei Rosenheim Feuer

Der Warn-Tag sollte der Erprobung der technischen Warnsysteme und der vorhandenen Schnittstellen dienen. „Das gesehene technische Phänomen liefert wichtige Erkenntnisse für den Ausbau und die notwendige weitere Abstimmung zwischen den beteiligten Stellen in Bund und Ländern und wird in der weiteren Entwicklung berücksichtigt“, schreibt das Bundesamt auf OVB-Anfrage. Die Ergebnisse des Warn-Tags würden jetzt aus den Kommunen und Ländern zusammengetragen.

Hier können Sie die Katastrophen-Warnapp NINA downloaden:

+++

Update 10. September, 13.07 Uhr

Rosenheim – Test gelungen – oder misslungen? Mit Verzögerung schlugen heute zum bundesweit ersten „Test-Warntag“ die Warnungen in Stadt und Landkreis Rosenheim auf: Nicht wie angekündigt punkt 11 Uhr, sondern erst mit einer Verspätung von 14 Minuten gelangten die Benachrichtigungen über die Warn-App „NINA“ aufs Smartphone – und das auch nicht bei jedem als Direktnachricht auf dem Handydisplay, sondern erst ersichtlich, wenn man die App manuell öffnet und aktiv nach der Warnung sucht.

Minutenlang kommt keine Warnung

Grund der Verzögerung? Dazu konnte der Sprecher des Landratsamtes Rosenheim, Michael Fischer, aktuell noch keine konkrete Auskunft geben – „möglicherweise Überlastung“. Denn als sich minutenlang nichts tat, hat das Landratsamt kurzerhand selbst ausgelöst – und um 11.14 Uhr die Warnung für Stadt und Landkreis Rosenheim hinausgejagt. Um 11.22 Uhr folgte die Entwarnung.

Ursprünglicher Plan war, dass die Nationale Warnzentrale Bonn aus dem Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe die Warn-App „NINA“ auch für Stadt und Landkreis Rosenheim auslöst – was jedoch auf sich warten ließ. Deren Warnung schlug erst um 11.31 Uhr in Rosenheim auf – mit gut einer halben Stunde Verspätung (Entwarnung: 11.40 Uhr).

Das Wirrwarr um die Testwarnung löste auch bei den App-Nutzern in der Region Verwunderung aus, wie sich auf der Facebookseite der OVB-Heimatzeitungen zeigt:

Landratsamt zufrieden mit dem Testlauf der Warn-Nachrichten

Für Sprecher Fischer dennoch kein Grund zur Besorgnis. Er bewertet den Test aus Sicht von Stadt und Landkreis als gelungen: Kaum selbst ausgelöst, sei die Nachricht auf den Smartphones aufgeschlagen – „innerhalb von zwei Sekunden. Es funktioniert also aus unserer Sicht“.

Sirenen waren bei dem bundesweiten Warn-Test in der Region indes kaum mehr zu hören, weil meist abgebaut oder außer Betrieb. Stadt und Landkreis setzen vielmehr auf Push-Mitteilungen statt Heulton – sollten sie denn funktionieren.

+++

Die Erstmeldung vom 9. September

Rosenheim – Nur noch in wenigen Gemeinden in der Region warnen Sirenen im Notfall. Deswegen sollten Sie den Warntag am 10. September als Anlass nehmen, um einen Alarm bei schwerwiegenden Gefahren für die öffentliche Sicherheit nicht zu verpassen! Der Landkreis Rosenheim setzt auf die Warn-App „NINA“.

Wenn Sie die App rechtzeitig auf ihr Smartphone laden, erhalten Sie um 11 Uhr eine Push-Mitteilung auf ihr Smartphone.

Was passiert am Warntag?

Bund und Länder haben vereinbart, am 10. September die technische Infrastruktur für Warnungen in ganz Deutschland zu testen. Dann heulen im ganzen Land die verbleibenen Sirenen, die Warnungen erscheinen auf der Straße an digitalen Anzeigetafeln, im Internet oder eben auf dem Handy: Die kostenlose App „NINA“ steht für Notfall-Informations- und Nachrichten-APP. Über diese gibt es Auskünfte zu drohenden Gefahren im Heimatort oder in der Region.

Der bundesweite Warntag findet erstmals nach der Wiedervereinigung statt. Er wird vom Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe durchgeführt und soll künftig jährlich jeweils am zweiten Donnerstag im September erfolgen.

Polizei Bad Aibling weckt Brautpaar mit Sirenen – um Tumult auf Echelon zu vermeiden

Durchaus nötig, meint das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) in Bonn. Sein Präsident Christoph Unger sagt: «Wir glauben, dass es ungemütlicher werden wird.» Stichwort Klimawandel. «Es gibt konkrete Erfahrungen, wie beispielsweise die Jahrhundertflut 2002 an der Elbe, die unzählbaren Starkregenereignisse der letzten Jahre.» Sogar Erdbeben seien denkbar, etwa in der Kölner Bucht. 

Die Konsequenz der Katastrophenschützer: «Die Menschen müssen besser vorbereitet sein.» Unger zitiert in diesem Zusammenhang gern den alten Goethe: «Wer vorsieht, ist der Herr des Tages.»

Im Notfall: So müssen Sie vorbereitet sein

Unger rät den Bürgern, immer für zehn Tage Vorräte zu Hause zu haben. Das hat in seinen Augen nichts mit Panikmache zu tun. Er fühle sich in seiner Rolle manchmal wie die Figur Kassandra aus der griechischen Mythologie. «Die hat ja auch immer auf irgendwelche Dinge hingewiesen - und keiner hat ihr geglaubt.»

Xavier Naidoo verbreitet Theorien über den Warntag – das Netz reagiert hämisch

Mit Corona hat der Warntag direkt nichts zu tun. «Die Planungen für diesen Warntag sind schon zwei Jahre alt, da hatten wir von Corona noch keinen Schimmer. Aber natürlich ist es durch Corona verstärkt worden. Wir haben unsere Warnapp NINA zum Beispiel erweitert um Informationskanäle zu Corona.» Die Warn-App sei während der Pandemie zu einem wichtigen Instrument der Warnung und Information durch die Bundesregierung geworden. Andere Warn-Apps sind BIWAPP (Bürger Info und Warn App), KATWARN sowie diverse regionale Warn-Apps.

Eine bundesweite Warnung ist in der Realität unwahrscheinlich. Bei einem Terroranschlag, einer Giftwolke oder einem Stromausfall würde wohl nur regional gewarnt. Aber auszuschließen sei eben auch nichts, meint das in Bonn ansässige Bundesamt. Und es sei immer gut, wenn man wisse, wie und wo man sich schnell informieren könne. Im BBK-Werbefilm erlebt Godzilla jedenfalls eine aus seiner Sicht böse Überraschung - dank Warn-App NINA. (Mit Material von dpa)

Auch interessant

Kommentare

Liebe Leserinnen und Leser,
wir bitten um Verständnis, dass es im Unterschied zu vielen anderen Artikeln auf unserem Portal unter diesem Artikel keine Kommentarfunktion gibt. Bei einzelnen Themen behält sich die Redaktion vor, die Kommentarmöglichkeiten einzuschränken.
Die Redaktion