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Notfallpatient-Krankenhaus in Freilassing wird zum Gesundheits-Zentrum

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Von: Michael Hudelist

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Sie wussten über die Zukunft des Krankenhauses Freilassing schon vorab Bescheid, v.l. Landrat Bernhard Kern, sowie die Bürgermeister Markus Buchwinkler (Saaldorf-Surheim), Markus Hiebl (Freilassing) und Martin Öttl (Ainring).
Am Montagabend (11. Juli) wurde über die Zukunft des Krankenhauses Freilassing gesprochen. Unter anderem waren v.l. Landrat Bernhard Kern, sowie die Bürgermeister Andreas Buchwinkler (Saaldorf-Surheim), Markus Hiebl (Freilassing) und Martin Öttl (Ainring) mit von der Partie. © Bildmontage: hud

Die Zukunft des Notfallpatient-Krankenhauses in Freilassing: behandeln und nach Hause gehen – Geplant ist eine Tagesklinik für Pflegefälle und Kinder- und Jugendpsychiatrie.

Freilassing, Saaldorf-Surheim, Ainring „Wir wollen keine Retro-Diskussion ‚Ach wie schön war früher die Welt‘“, so begann Uwe Gretscher als Vorstandsvorsitzender der Kreiskliniken Südostbayern (KSOB) fast schon beschwörend seine über zwei Stunden dauernde Präsentation. Als die Geduld der 60 Gemeinderäte aus den drei Kommunen und der 150 Besucher in der vollbesetzten Aula der Mittelschule in Freilassing am Montagabend (11. Juli) schon fast am Ende war, ließ Gretscher die Katze aus dem Sack: Das Krankenhaus Freilassing soll sich auf Altersmedizin spezialisieren, also Geriatrie und Pflege sowie weiter ambulante Angebote bündeln, somit eine Art Gesundheitszentrum werden.

Die Begründung des Klinikmanagers: Die Zahl der Patienten in Freilassing sei seit Jahren rückläufig und würde den hohen Personaleinsatz für einen 24-Stunden-Betrieb einfach nicht rechtfertigen, „das Personal fehlt uns an anderer Stelle“. Von 2018 auf 2021 sei die Zahl der Patienten von 2051 auf zuletzt 1310 zurückgegangen. Die Hälfte der Patienten werden ambulant versorgt, die 40 Betten sind nur zu rund 60 Prozent ausgelastet, die Patienten auf den Stationen sind im Durchschnitt 70 Jahre alt, 35 Prozent der Patienten sind hochbetagt, also über 80. Die von der Bevölkerung gewünschte 24-Stunden Notfall-Versorgung werde kaum genutzt, unter der Woche komme in der Nacht im Durchschnitt alle zwei Tage ein Patient, am Wochenende ein Patient pro Nachtdienst. „Und für diese wenigen Fälle müssen wir ein Ärzteteam und ein Pflegeteam bereithalten und das bei dem Personalmangel, wo uns anderswo die Mitarbeiter fehlen“.

„Blaulicht fährt an Freilassing vorbei“

In einer Grafik zeigt Gretscher dann, wohin die Rettung im Jahr 2020 die echten Notfälle gebracht habe: 39 Prozent seien in Traunstein eingeliefert worden, 25 Prozent in Bad Reichenhall und 17 Prozent in „sonstige Krankenhäuser“. Nur 4 Prozent seien im Krankenhaus Freilassing aufgenommen worden, nur 2 Prozent seien nach Salzburg gefahren worden, Gelächter im Publikum. „Also das Blaulicht fährt schon jetzt an Freilassing vorbei“. Wer zum Beispiel einen Schlaganfall erleide wolle die beste Versorgung haben und das gehe nur in einem hochspezialisierten Haus. Laut Gesetz dürften kleine Häuser wie Freilassing keine Notfallversorgung mehr anbieten, „wenn doch werden wir dafür sogar finanziell bestraft“, auch das wiederholt Gretscher im Laufe des langen Abends immer wieder.

Patient Krankenhaus – Die Diagnose

„Freilassing betreibt als oeinen hohen Vorhalteaufwand für überwiegend geriatrische Patienten bei geringen Fallzahlen“, so die Diagnose von Gretscher. Die Notfälle, die kommen, seien ohnehin keine echten Notfälle, „die haben nur ein Versorgungsproblem, wir machen also hier eine Kurzzeitpflege mit ärztlicher Betreuung, das ist aber keine Notfall-Akut-Medizin“, unterstreicht der Vorstandsvorsitzende der Kliniken Südostbayern mehrmals.

Freilassing versorgt nur wenige Freilassinger

Zuletzt wurden rund 1900 Patienten pro Jahr in Freilassing behandelt, „man kann also sagen Freilassing behandelt ein wenig die Einheimischen, der Großteil der Freilassinger Patienten kommt nach Traunstein, Bad Reichenhall oder auch nach Salzburg“. Nicht nur die Krankenkassen würden immer wieder das Management fragen ‚Was macht ihr da eigentlich in Freilassing?‘.

Was bringt die Zukunft?

Da schon jetzt die Klinik -Patienten in Freilassing eher alt sind, plant der Klinikenverbund eine geriatrische Tagesklinik, das sind Pflegefälle, die tagsüber eine Betreuung brauchen aber am Abend durchaus nach Hause gehen können. Dafür sieht Gretscher ein hohes Potential sowohl in Freilassing, als auch im gesamten Landkreis, „denn nicht jeder Pflegepatient muss gleich stationär in eine Pflegeheim“.

Außerdem könnte Freilassing in Zukunft auch als eine Memory-Tagesklinik genutzt werden, in der Demenz-Erkrankungen ambulant betreut werden, in Kooperation mit der im Hause schon angesiedelten Psychiatrie.

1,4 Millionen Euro für Instandhaltung

Freilassing soll also ein ambulantes Zentrum werden, stationär soll niemand mehr aufgenommen werden, auch die Rettungswagen werden Freilassing nicht mehr anfahren, was sie im Übrigen auch bisher schon selten gemacht haben. „Wir stehen zu Freilassing und werden 1,4 Millionen Euro investieren“. Später stellt sich heraus, dass dieser relativ geringe Betrag rein für die Instandhaltung des Hauses vorgesehen ist. Möglich sind auch weitere ambulante Einrichtungen oder Praxen von niedergelassenen Ärzten, wie derzeit bereits eines Radiologen.

Die Verfasser des Konzepts nennen das neue Konzept dann auch etwas großspurig „Gesundheits-Campus“, aber eben nur mehr ambulant unter dem Motto: behandeln und nach Hause gehen. Weiter entwickeln könnte sich auch die Psychiatrie in Freilassing, „dazu haben wir übernächste Woche einen Termin mit dem Betreiber KBO“, Landrat Bernhard Kern spricht von „ernsthaften Gesprächen“, um eine Kinder- und Jugend-Psychiatrie in Freilassing zu etablieren, diese könnte dann gemeinsam mit der JVA Laufen-Lebenau und der CJD in Berchtesgaden den gesamten Landkreis und darüber hinaus abdecken.

Ambulante Notfallversorgung

Die Notfallversorgung in Freilassing sollen in Zukunft nach dem vorliegenden Konzept ein Krankenhausarzt und ein niedergelassener Arzt übernehmen, beide entscheiden dann, ob es für den Patienten in Richtung Krankenhaus geht oder in eine Notfallpraxis. Ob die Ärzte bei diesem Modell tatsächlich mitmachen, ist allerdings noch nicht geklärt.

Für die echte, ambulante Notfallversorgung sind nach dem Gesetzgeber ohnehin nicht die Kliniken, sondern die Hausärzte zuständig, „hier müssen die niedergelassenen Ärzte ein vernünftiges Angebot machen, wir in der Klinik Freilassing können gerne die Infrastruktur zur Verfügung stellen“, sagt Gretscher, gemeint sind also Räume. Derzeit gebe es im Krankenhaus Freilassing mit Dr. Dannheuser bereits einen sogenannten Durchgangs-Arzt, der sich um Schulunfälle und leichtere Arbeitsunfälle kümmert.

Nach fast zwei Stunden war die 128 Seiten umfassende Präsentation von Gretscher an ihr Ende gekommen, den Besuchern brannten schon hörbar viele Fragen unter den Nägeln, aber da es sich eigentlich um eine gemeinsame Gemeinderatssitzung von drei Kommunen handelte waren zuerst die Stadträte aus Freilassing, sowie die Gemeinderäte aus Ainring und Saaldorf-Surheim an der Reihe, die ihre Fragen zum Teil bereits vorab an das Krankenhaus-Management übermittelt hatten.

Über zum Teil enttäuschte Bürgermeister und Gemeinderäte sowie Schuldzuweisungen vonseiten mancher Besucher in der späten „Fragestunde“ berichtet BGLand24.de separat.

hud

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