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Fischotter treibt sein Unwesen: Gibt es im Hintersee bald keine Fische mehr?

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Von: Melanie Fischer

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Vom Fischotter erlegte Forelle und der Hintersee
Der Fischotter reduziert massiv den Fischbestand im Hintersee. © Collage Bernd Kubicke, Melanie Fischer

Beim romantischen Spaziergang um den Hintersee muss man schon genau suchen, wenn man noch Fische sehen möchte. Für die gähnende Leere in dem Gewässer gibt es einen Schuldigen: den Fischotter. Droht das ökologische Gleichgewicht im Landschaftsidyll aus den Fugen zu geraten?  

Ramsau - „Die Aalrutte ist am Hintersee nicht mehr wahrnehmbar. Früher haben wir sogar den Laich verkauft, weil wir diesen seltenen Bestand hatten. Was auch massiv abnimmt, ist die Mühlkoppe und extrem bedroht ist die heimische Bachforelle“, bedauert Bernd Kubicke. Der Vorsitzende des Fischereivereins Berchtesgaden-Königssee kennt die Ursache für den Artenschwund: Weder Schwarzfischer noch veraltete Wasserkraftwerke richten in der Region so hohen Schaden am Fischbestand an wie der Fischotter.  

Keine Feinde und körperliche Vorzüge  

Der Fischotter steht auf der sogenannten Roten Liste, das heißt, er wird ganzjährig geschont und nicht gejagt. Das liegt daran, dass er einst wegen seines Felles fast ausgerottet worden wäre. Inzwischen kommt er aber wieder flächendeckend in ganz Europa vor. Kubicke schätzt die Anzahl der Otter im inneren Landkreis auf 20 bis 25 Stück. Für ihn gibt es wesentliche Gründe für die starke Vermehrung des Otters. Neben der Tatsache, dass er keine natürlichen Feinde hat, ist er mit bestimmten körperlichen Vorzügen ausgestattet: „Der Otter kann bis zu 20 Kilometer pro Tag marschieren. Er kann tauchen, schwimmen, klettern und geht auch bergauf. Also selbst wenn in Loipl oben ein Fischteich ist, räumt er den aus.“

„Die Gewässer wären schon völlig leer“

Ein Fischotter benötigt etwa ein Kilogramm Nahrung am Tag. „Er frisst aber nicht - wie es ein Löwe machen würde - einen ganzen Fisch auf einmal, sondern er kann Nahrung nur portionsweise aufnehmen. Also nimmt er nur das Edle und lässt den Rest liegen. Dann macht er in drei bis vier Stunden wieder Jagd.“ Bei 20 Ottern in der Region wären das etwa sechs Tonnen im Jahr. Dadurch sind bestimmte Arten extrem zurückgegangen. Der Otter frisst nicht nur Fisch, sondern auch Bodenbrüter, Reptilien und Amphibien. „Wenn man vor fünf, sechs Jahren um den Hintersee marschiert ist, hat man noch festgestellt: Da ist eine Ringelnatter, da ist ein Frosch und da ist eine Ente. Jetzt sind all diese Tiere am Hintersee stark dezimiert.“

Der Fischereiverein betreibt Naturschutz und setzt auch Fische in die Gewässer ein. Er führt umfangreiche Statistiken darüber, was er einsetzt - welche Art in welcher Größe - und auch, was gefangen wurde. Die Auswertung der Daten führt zu dem ernüchternden Ergebnis: „Wir werden dem Fischotter nicht mehr Herr. Wenn wir nicht besetzen würden, wären die Gewässer schon völlig leer“, so Kubicke.

Was kann man gegen die Ausbreitung tun?

Eine wirksame Maßnahme wäre die sogenannte Entnahme von einzelnen Tieren, also deren Abschuss. Ein Ärgernis ist Kubicke hierbei, dass sich Naturschutzverbände gegen Maßnahmen des Landwirtschaftsministeriums stellen: „Wenn das Ministerium etwa eine Regelung herausgibt, eine bestimmte Zahl von Ottern zum Abschuss freizugeben, dann wird dagegen geklagt. Alles dreht sich schließlich im Kreis und wird ideologisiert.“

BUND Naturschutz schließt Überfischung aus

Der BUND Naturschutz hält in einer Broschüre dagegen. Dort heißt es: „Überfischung wie beim Menschen gibt es beim Fischotter nicht.“ Die Bestände würden sich von selbst regulieren. Denn wenn zu wenig Fische da sind, überleben auch die Otter nicht. Rita Poser, Kreisvorsitzende im Berchtesgadener Land, bemerkt hierzu: „In der Ökologie gilt: Die Beute reguliert den Beutegreifer und nicht umgekehrt. Gegen eine Gefährdung spricht zudem die Koevolution bzw. die lange Koexistenz seltener Fisch- und Vogelarten mit dem Fischotter bis zum Eingreifen des Menschen. Wenn es der Fischotter bis zu seiner nahezu vollständigen Ausrottung durch den Menschen geschafft hätte, seltene, gebietsheimische Fischarten zu gefährden, so würde man diese heute nicht mehr finden.“

Auch warnt der BUND davor, dass eine Tötung dem europäischen Recht widerspreche. Die Ursache für die schwindende Fischpopulation liegt für Poser darin, dass die Fischtreppen in den Gewässern nicht richtig funktionieren und zu viel Wasser für den Betrieb von Anlagen abgeleitet werde.

Kubicke sieht das anders: „Wir leben in einer Kulturlandschaft und sind nicht mehr in der Wildnis. Hier kann sich nichts mehr selber regeln. Man sucht nicht den Ausgleich sondern behauptet permanent, wie schlimm das ist, dass man dieses süße Tier umbringt.“ Das Land Salzburg hat auf die Gefährdung des Fischbestandes durch den Otter bereits reagiert. Unter strengen Auflagen dürfen hier pro Kalenderjahr bis zu 19 Fischotter getötet werden.

„Meine Zucht sieht aus wie Guantanamo“

Für Fischzuchten fordert der BUND Naturschutz mehr finanzielle Unterstützung durch den Staat. Bernd Kubicke verfügt selbst über eine Fischzucht und hat dort die gleichen Probleme wie sie auch am Hintersee vorliegen: „Meine eigene Zucht sieht aus wie Guantanamo. Das ist mittlerweile ein Hochsicherheitstrakt mit Draht, Strom, Gitter und Beton. Trotzdem gelingt es dem Otter immer wieder, dass er durchkommt. Neulich hat er eine Seeforelle mit 90 Zentimetern geholt und angefressen. Herz und Leber waren weg, der Rest lag dann einfach herum.“

Die Aufzucht der Fische und das Einsetzen in die Gewässer ist finanziell aufwendiger geworden. Durch die Energiekosten sind auch die Futterkosten gestiegen. Ein Sack Biofutter kostete laut Kubicke vor eineinhalb Jahren noch 55 Euro, jetzt läge er bei 84 Euro. „Ein Drittel der Fischzüchter hat in Bayern in den letzten zwei Jahren aufgegeben. Sie dürfen einen Otter nicht erlegen und müssen zuschauen, wie alles leer gefressen wird.“ Verzweifelt gibt er zu bedenken: „Wir wollen doch heimischen Fisch!“

mf

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