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Freie Bühne für die Kunst – Drei Berchtesgadener planen ein Festival für hiesige Künstler

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Von: Kilian Pfeiffer

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Die Bühne ist deine: Ob Musiker, Artist oder Alleinunterhalter. Auch bei der dritten Veranstaltung kamen viele und präsentierten sich teils zum ersten Mal auf öffentlicher Bühne. © Kilian Pfeiffer

Berchtesgadener Land – Freiraum für Künstler jeder Couleur: Mit mehreren „Open Stage“-Veranstaltungen haben die Berchtesgadener Julius Bitterling, Lena Schneider und Hanni Maltan den Nerv der Zeit getroffen. „Künstlerisches Schaffen und das Zusammenbringen von Menschen“ sind das Ziel des Trios. Nun wollen sie einen Verein gründen und träumen von einem mehrtägigen Festival.  

Im vergangenen Jahr habt Ihr die Veranstaltungsreihe der „Open Stage“ ins Leben gerufen. Künstler haben darin Gelegenheit, ihr Können auf der Bühne vor Publikum zu präsentieren. Wen wollt Ihr damit ansprechen?

Julius Bitterling: Mit der Open Stage möchten wir die Möglichkeit geben, Menschen zu vernetzen und künstlerischer Arbeit eine Bühne zu geben. Und zwar regelmäßig. Dabei gibt es keine Eingrenzung, was Alter, Kunstform oder Herkunft angeht. Vielfalt ist bewusst erwünscht. Der Facettenreichtum kultureller Hintergründe birgt vor allem dann Potenzial, wenn wir einander zuhören und uns füreinander interessieren. Unser Ziel ist es, die Teilnehmenden zu ermutigen und ihren kreativen Prozess zu zeigen. Es geht nicht darum, perfekt zu sein, sondern einen Austausch mit dem Publikum zu schaffen. Durch die Bühnenerfahrung soll man inspiriert werden. Wir wollen nicht nur Künstler ansprechen, sondern auch das Publikum, das mit konstruktiver Kritik einen wichtigen Beitrag leisten kann. Keine Angst: Wer nur zur Unterhaltung kommt, ist natürlich auch herzlich willkommen.

Was war ausschlaggebend, das Projekt auf die Beine zu stellen und schließlich in die Realität umzusetzen?

Lena Schneider: Wir sind in der Berchtesgadener Region aufgewachsen und wollten unsere Erfahrungen, die wir außerhalb des Talkessels sammeln konnten, heimbringen und teilen. Das lässt sich in Form von Veranstaltungen mit der heimischen Kultur verbinden. Auf keinen Fall wollen wir die einzigen Initiatoren sein, sondern das Ziel kann es nur sein, dass sich auch andere Interessierte einbringen. Deshalb haben wir kürzlich ein Kollektiv gegründet, das wir WurzelTrieb nennen. Damit möchten wir Inspiration und Interesse für Neues schaffen, um andere Perspektiven zu entwickeln und gemeinsam kreatives Gestalten zu erleben. Tradition ist nicht die Anbetung der Asche, sondern die Weitergabe des Feuers. Dafür brennen wir.

Hat das auch mit Eurer eigenen Vita zu tun? Ihr seid ja selbst Musikerinnen und Akrobaten.

Julius Bitterling: Natürlich. Es wäre traurig, wenn das nicht der Fall wäre. Und gerade als Künstler hat man diese Verantwortung, Visionen und Träume zu verwirklichen und einen Einblick in das Mögliche zu geben. Gerade in Zeiten individueller Isolierung, virtuellen Abdriftens und geopolitischer Spannungen ist es wichtig, Menschen die Möglichkeiten zu geben, zusammenkommen. Wir wünschen uns, dass darstellende Kunst als Ritual dient, das den Anwesenden eine gemeinsame Erfahrung bietet und zu neuen Gedanken anstoßen kann. Außerdem sind solche Momente die Grundlage, um sich als Gemeinschaft wahrnehmen zu können. Der Mensch ist ein soziales Wesen und ein gesunder Geist braucht ein Wir-Gefühl. Künstlerisches Schaffen ist unser Werkzeug und Bindeglied.

Der Erfolg gibt euch recht: Die ersten Veranstaltungen waren hervorragend besucht. Gibt es zu viele verborgene Künstlertalente, denen die Chance bislang verwehrt blieb, Bekanntheit zu erlangen?

Julius Bitterling: Wir freuen uns, dass die ersten Veranstaltungen so gut besucht waren. Es besteht offensichtlich ein Bedürfnis nach solchen Events. Dabei geht es uns nicht um Erfolg, sondern um das künstlerische Schaffen und um das Zusammenbringen von Menschen, um Austausch und Inspiration. Auch Bekanntheit zu erlangen, ist nicht die Motivation, sondern höchstens ein positiver Nebeneffekt. Die Kunst steckt in jedem. Sie gehört in den Alltag und muss jedem Menschen zugänglich gemacht werden. Kunst ist keine gesellschaftliche Randerscheinung, sondern ihr wesentlicher Kern. Es geht uns nicht um Prestige oder um die Produktion von Kunstobjekten: Wir wollen Kunst für alle zugänglich und erlebbar machen. Dabei stellen wir uns die Frage, wie wir zur Kultur beitragen können, in der wir selbst leben. Und ja, es gibt viele verborgene Künstlertalente, aber nicht, weil ihnen die Bühne verwehrt blieb, sondern weil sie sich selbst gar nicht als Künstler wahrnehmen. Auch kreatives Kochen, die Gartengestaltung, einen genialen Witz zu erzählen oder die Kühe zum Almabtrieb zu schmücken, ist eine Form der Kunst.

Was nehmt ihr aus den ersten Veranstaltungen mit?

Hanni Maltan: Auf jeden Fall viel Freude, Motivation und Lust, weiterzumachen. Für viele war es das erste Mal, vor einem Publikum aufzutreten. Wir hatten unterschiedliche Musikrichtungen von Deutsch-Pop, Rock bis hin zu Volksmusik. Die Leute stammten aus diversen Ländern, von Nigeria bis Costa Rica. Auch Tanz und Akrobatik wurden gezeigt. Es waren viele besondere Menschen und Momente vereint. Der ganze Raum hat mit den Künstlern mitgefiebert. Die Atmosphäre war mitfühlend und voll von positiver Energie. Ein emotionaler Moment war, als in der Nachbesprechung eine Schwarze Person sagte, sie habe sich von Anfang an aufgenommen, respektiert und wohlgefühlt. Das hatte sie zuvor in Deutschland so noch nie erlebt.

Gibt es weiterführende Pläne für zukünftige Ausgaben der „Open Stage“, etwa Auszeichnungen?

Hanni Maltan: Die Open Stage möchten wir weiterhin regelmäßig organisieren. Die Veranstaltungen sollen nicht nach Schema F ablaufen: Die Organisation einer Open Stage unterliegt einem künstlerischen Prozess. Dazu gehört eine kreative Gestaltung. Das Konzept wird sich voraussichtlich aber nicht grundlegend ändern. Preise wird es sicher keine geben. Es geht nicht um eine Kategorisierung von Gut oder Schlecht, sondern um den Mut und das Selbstvertrauen, sich frei auszudrücken. Wir träumen von einer Art Festival, das sich über mehrere Tage abspielt. Die Berchtesgadener Region bietet die beste Bühne: die Natur. Das Festival stellen wir uns vor als eine Art offener Raum, wo Menschen gemeinsam Neues entdecken und mitgestalten. Das können Workshops zum Schnitzen sein, Musik oder Akrobatik. Außerdem sollen Auftritte von Künstlern die Möglichkeit für Inspiration, Grübelei, aber auch Freude und Austausch schaffen. Auch die Kulinarik prägt die Kultur. Beim Essen kommen die Menschen schnell und leicht ins Gespräch, es verbindet und agiert als Brücke zwischen Mensch und Natur. Wir erhoffen uns von unseren Projekten, einen positiven Beitrag für eine Gesellschaft zu leisten, die in Bewegung ist, inklusiv, offen und natürlich respektvoll. Ideen haben wir viele, da brauchen wir nicht lange zu überlegen. Was wir aber brauchen, ist zusätzliche Unterstützung. Wir überlegen, einen Verein zu gründen.

kp

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