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Mit Blut bespuckt und beschmiert: Welche Angriffe das Rote Kreuz im Berchtesgadener Land erlebt

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Von: Christina Eisenberger

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BRK Bayerisches Rotes Kreuz Berchtesgadener Land
Sie helfen in der Not: die Rettungskräfte des Bayerischen Roten Kreuzes. Umso erschreckender ist es, dass die meist ehrenamtlichen Retter bei Einsätzen auch mit Anfeindungen, Bedrohungen oder Beschimpfungen konfrontiert werden. © BRK BGL (Collage)

Sie sorgen für Sicherheit und werden selbst attackiert, beschimpft oder behindert: Heimische Rettungskräfte berichten aus ihrem Alltag - dieses Mal vom Bayerischen Roten Kreuz im Berchtesgadener Land.

Berchtesgadener Land - „Einer unserer Notfallsanitäter wurde bei einem Einsatz von einer Patientin in einer psychischen Ausnahme-Situation, die sich nicht behandeln lassen wollte, aber in einer gesundheitsgefährdenden Notlage war, mit Blut bespuckt und beschmiert“, erinnert sich Markus Leitner, Sprecher des Bayerischen Roten Kreuzes im Berchtesgadener Land. Es folgte eine Strafanzeige; schließlich hätte der Sanitäter sich mit schwer krankmachenden Keimen infizieren können. „Es ist tragisch, wenn die Verletzte aufgrund ihres Zustands nicht rational denkend gehandelt hat, rechtfertigt aber dennoch den Übergriff nicht, weshalb wir in solchen Fällen deutliche Grenzen ziehen müssen und so etwas auch nicht unter den Tisch fallen lassen dürfen“, so Leitner.

Angriffe auf Rettungskräfte im BGL: Betroffene oft unberechenbar

Das Beispiel zeigt, dass auch unsere heimischen Rettungskräfte tagtäglich in die Bredouille geraten können - wenn es auch nicht zu solch massiven Angriffen kommt, wie in der Silvesternacht in Berlin. Am Land kenne fast jeder jeden, die Bevölkerung schaue hier nicht einfach weg und bremse andere Menschen auch aktiv, wenn sie sich nicht angemessen verhalten, so Leitner.

„Insbesondere unsere ehrenamtlichen Gemeinschaften, die BRK-Bereitschaften, die BRK-Wasserwacht und hier regional bedingt insbesondere auch die Bergwacht im BRK, sind gesellschaftlich tief verwurzelt und anerkannt, wobei wir sehr dankbar für die große Solidarität sind, die unsere Retter auch bei schwierigen Einsätzen motiviert und stärkt.“

Im Notfall sind die Einsatzkräfte jedoch mit dem „kompletten Spektrum der Gesellschaft“ konfrontiert, es gibt daher auch negative Ausnahmen. Meist sind dabei Alkohol, Drogen oder psychische Ausnahmesituationen im Spiel, „was den Einsatz nicht weniger riskant und auch gefährlich für uns macht“. Die Betroffenen sind unberechenbar und nicht mehr ansprechbar.

Zu enge Rettungsgassen - „merkt man erst, wenn man selbst auf den Notarzt wartet“

Letztlich sei jeder Einsatz des Roten Kreuzes problematisch, da er für Betroffene eine völlig unerwartete Ausnahmesituation darstelle, so Leitner. „Stressbedingt treten auch mal Unbeteiligte als vermeintlich egoistisch und empathielos auf, wenn sie beispielsweise bei einer Straßensperre warten müssen oder ihr individuelles Ding nicht weiter durchziehen können; die meisten Leute lassen sich aber schnell beruhigen und überzeugen, wenn man sie über die Hintergründe aufklärt – trotzdem kostet das wertvolle Zeit und Nerven und stört letztlich auch den Einsatz.

Dichter Verkehr, zu enge Rettungsgassen oder Notfallorte in schmalen Straßen, die durch parkende Autos nicht mehr erreichbar sind - sie sind Stressfaktoren für die Retter. „Die sollten nicht unbedingt schweißgetränkt nach einer nervenaufreibenden Anfahrt beim Patienten ankommen und dann bereits am Limit mit ihrer eigentlichen Arbeit beginnen.“ Doch, „dass Rettungswagen oder Feuerwehr nicht mehr durchkommen, merkt man erst, wenn das eigene Haus brennt oder man selbst auf den Notarzt wartet und jede verstrichene Minute wie eine Ewigkeit wirkt.“

Behinderungen, Beleidigungen und realitätsferne Einschätzungen im Notruf

Leitner denkt, dass das Verhalten der Menschen mehr mit Unaufmerksamkeit und weniger mit Egoismus zu tun hat. „Viele Menschen stehen beruflich und auch privat extrem unter Strom, sind gedanklich sehr auf ihre eigene Sache fixiert, rudern, damit sie alles irgendwie noch schaffen und bekommen gar nicht mehr so richtig mit, wie sich ihr eigenes Verhalten auf andere und die Gesellschaft insgesamt auswirkt.“

Behinderungen im Straßenverkehr, Beleidigungen und Schimpfwörter sowie realitätsferne Einschätzungen im Notruf, was eigentlich passiert und wie schlimm es überhaupt ist, sind die häufigsten Schwierigkeiten, die die BRK-Rettungskräften bei Einsätzen gegenübertreten. Während Notfälle für die Retter die Regel seien, handle es sich für Betroffene um eine besonders belastende Ausnahmesituation. „Darum sind wir auch nicht sauer, wenn ein Angehöriger oder Patient mal etwas sagt, was ihm später dann vielleicht wieder leid tut, bewerten so etwas auch nicht über und versuchen, beruhigend und deeskalierend auf Betroffene einzuwirken“, so Leitner. „Der Großteil der Menschen ist aber zuvorkommend und hilfsbereit und unterstützt uns beim Einsatz.“

Aggressives Verhalten durch Alkohol, Drogen, Stress

Prägende negative Lebensereignisse, persönliche Probleme und die wesensverändernden Eigenschaften von Alkohol und Drogen und wohl auch Stress zählen laut Leitner zu den häufigsten Ursachen von aggressivem und unverhältnismäßigem Verhalten in Ausnahmesituationen.

Den zeitlichen Druck der Leute merken auch die Einsatzkräfte: „Alles soll und muss immer möglichst schnell gehen und Betroffene tun sich schwerer, mit der Situation und dem Leid angemessen umzugehen und bringen das dann auch mal verbal und in unangemessenem Verhalten zum Ausdruck. Auch wir sind nur Menschen und das Rote Kreuz ist vom stetig steigenden Stress nicht ausgenommen, weshalb wir auch um Nachsicht bitten, wenn unsere Retter bei hohem Aufkommen von Einsatz zu Einsatz fahren und auch mal nicht so ausgeglichen auftreten, wie man es eigentlich von uns erwarten dürfte.“

Mehr Eigenverantwortung und Miteinander

Gäbe es einen Wunschzettel des BRK, würde mehr Eigenverantwortung und Miteinander im direkten persönlichen Umfeld drauf stehen. „Während wir uns mit einem aggressiven Betrunkenen beschäftigen müssen, der die Menschen in seiner Umgebung überfordert, wartet vielleicht gerade ein anderer Patient mit einem Herzinfarkt viel länger als notwendig auf Rettungswagen und Notarzt, hat deshalb eine schlechte Prognose, wieder gesund zu werden oder stirbt sogar“, so Leitner.

Außerdem wünsche sich das BRK aufgrund der meist hohen Auslastung der eigenen Mitarbeiter und Fahrzeuge eine angemessene Erwartungshaltung der Bürger. Viele Einsätze seien keine lebensbedrohlichen Notfälle, sondern „schlichtweg Hilfeleistungen bei Problemen, die die Betroffenen oder ihr direktes Umfeld mit etwas Aufwand häufig auch ohne das Rote Kreuz selbst lösen könnten“.

Auf der anderen Seite gebe es wieder sehr bescheidene Menschen, die auch in sehr schmerzhaften oder lebensbedrohlichen Situationen keinen Aufwand machen und deswegen keine Hilfe in Anspruch nehmen wollen. „Ich erinnere mich an einen Bergsteiger am Hochstaufen, der mit gebrochenem Fuß noch über 500 Höhenmeter selbst abgestiegen und dann wegen der starken Schmerzen mit Kreislaufproblemen zusammengebrochen war“, so Leitner.

Von unbeteiligten Dritten wünschen wir uns vor allem, dass sie nicht wegschauen und Erste Hilfe leisten, Respekt vor unserer Arbeit haben, uns in Ruhe und ungestört unseren Job machen lassen, und Verständnis dafür haben, wenn sie auf der Straße auch mal warten oder ausweichen müssen, da es bei uns immer wieder auch mal um jede Minute geht, damit der Patient überlebt.

Toll wäre auch, wenn alle im Straßenverkehr stets aufmerksam und rücksichtsvoll bleiben, da das Auto kein Wohnzimmer zum Abschalten ist; dann passiert insgesamt weniger und wir werden auch rechtzeitig wahrgenommen, wenn wir mit Blaulicht und Martinshorn näherkommen und vorbeifahren müssen.

Retter dürfen nicht selbst zum Patienten werden

Klar ist, wer Rettungskräfte körperlich angreift, wird angezeigt. „Es kann und darf nicht sein, dass sich Retter im Einsatz fürchten müssen oder sogar selbst zum Patienten werden. Dabei ist jeder von uns allen gefordert, sich im Rahmen seiner Möglichkeiten so weit im Griff zu haben, dass er nicht aggressiv und gewalttätig gegenüber anderen Menschen auftritt. Ich muss nicht dermaßen über den Durst trinken, dass ich zur Gefahr für mich oder für andere Menschen werde und bin auch in der Pflicht, als vielleicht in der Notlage oder bedingt durch die akute oder chronische Erkrankung nicht Einsichtiger Hilfe spätestens dann anzunehmen, wenn ich zum ernsten Problem fürs gesellschaftliche Zusammenleben werde“, so Leitner.

Und wie es eigentlich sein soll, zeigt ein Einsatz an Silvester in Leobendorf: Ehrenamtliche von Feuerwehr und Wasserwacht haben auf dem Heimweg in der Früh einen Brand entdeckt und „sofort die schlafenden Bewohner gewarnt und Leben gerettet“. Der Vermieter habe die unverletzten Betroffenen aus der Brand-Wohnung unkompliziert bei sich zu Hause aufgenommen.

Feuerwehr und THW zu Angriffen bei Einsätzen

Zu Schwierigkeiten bei Einsätzen kommt es auch mal bei der Feuerwehr. Über Beleidigungen und Behinderungen im ehrenamtlichen Alltag erzählen die Feuerwehrler aus dem Kreis Traunstein. Wie die Leute auf das Technische Hilfswerk bei Einsätzen reagieren, erzählt der Ortsbeauftragte des THW in Altötting.

ce

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