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Von höchstem Glück in der Natur zu tiefstem persönlichen Unglück

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Von: Christine Stanggassinger

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In vier Grad kaltem Wasser suchten die Rettungskräfte nach den beiden Männern. Den tragischen Ausgang des Ausfluges konnten sie erahnen. © BRK BGL

Schönau am Königssee - Es sollte ein Ausflug dreier Freunde werden. Zwei von ihnen überlebten ihn nicht. Am Dienstag (23. April) verstarben zwei 21-jährige Sachsen in einem Gumpen am Königsbachfall. Auch für die Rettungskräfte kein leichter Einsatz.

"Jede Menge Einsatzkräfte haben unter Hochdruck gearbeitet", fasst der Leiter der Polizeiinspektion Berchtesgaden, Wilhelm Handke, den Einsatz zusammen. Auch Markus Leitner, der Pressesprecher des Bayerischen Roten Kreuzes im Berchtesgadener Land, bestätigt: "Während des eigentlichen Einsatzes haben alle an der Unfallstelle so viel zu tun, dass uns wenig Zeit bleibt, über das, was gerade passiert, groß nachzudenken oder zu reflektieren."

Deshalb funktionierten die Männer und Frauen der Bergwacht, der Wasserwacht, der Feuerwehr und der Rettungsdienste, sowie Beamte der Polizeiinspektion Berchtesgaden am Dienstagabend in Schönau am Königssee, als sie zum Königsbachfall gerufen wurden.

Zwei 21-Jährige Sachsen wollten offensichtlich in einer Gumpe am Wasserfall baden gehen. Die Gumpe ist derzeit um die vier Grad kalt und führt viel Schmelzwasser. Durch einen sehr hohen Sauerstoffanteil und starken Wasserdruck müssen sich Strudel gebildet haben, die die beiden Männer unter Wasser gezogen haben. Ihr Begleiter setzte einen Notruf ab, doch auch die Einsatzkräfte konnten sie nicht mehr retten.

"Die Kriminalpolizei Traunstein hat standardgemäß die Ermittlungen aufgenommen", erklärte Polizeisprecher Stefan Sonntag. "Es ist sehr wahrscheinlich, dass die Männer unter Wasser gezogen wurden und nicht mehr herauf gekommen sind." Deshalb hat die Kriminalpolizei auch keine rechts-medizinische Untersuchung der beiden 21-Jährigen beauftragt. "Fremdverschulden wird ausgeschlossen."

"Sind trotz unserer Erfahrungen alle nur Menschen"

"Wenn man weiß, was vorgefallen ist, wird einem durchaus bewusst, wie das ausgehen kann", lässt Handke in die Gedanken beim Einsatz blicken. Leitner wird konkreter: "Wir verbringen oft bedingt durch Gelände und extremes Wetter einige Zeit mit den Patienten und betroffenen Begleitern und sind trotz unserer Erfahrungen auch alle nur Menschen – wir fühlen und trauern mit den Menschen, die von einem Unfall betroffen sind und können als Berg- oder Wassersportler konkret nachvollziehen, was so eine Ausnahme-Situation mit einem plötzlichen Wechsel von höchstem Glück in der Natur zu tiefstem persönlichen Unglück konkret bedeutet, vor allem, wenn wir sie gemeinsam mit den Betroffenen erleben."

In diesem Fall stand ein 21-jähriger Mann da, der gerade seine beiden Freunde ertrinken gesehen hat und es nicht verhindern konnte. Ein tragischer Fall, der die Einsatzkräfte auch nach getaner Arbeit durchaus noch beschäftigt. "Der ebenfalls ehrenamtliche Fachdienst Psychosoziale Notfallversorgung (PSNV) kümmert sich nicht nur um betroffene Angehörige, Tourenpartner, Unfallzeugen oder Freunde, sondern hält auch zusätzlich geschulte Krisenberater speziell für die Einsatzkräfte vor", so der BRK-Pressesprecher. Es wird auch jeder Einsatz in offener, lockerer Atmosphäre ohne Zeitdruck umfangreich nachbesprochen. "Untereinander versteht man sich auch am besten, da Externe, die nicht die gleichen Erfahrungen haben, manchmal gar nicht nachvollziehen könnten, wie sich ein extremer Einsatz konkret anfühlt."

Gelände-Absperrung keine Option

Extrem kann so eine Situation für alle Beteiligten werden. Immerhin setzen sich die Retter selbst erheblichen Gefahren aus. "Für unsere Retter wäre der Einsatz bedingt durch das absturzgefährliche Gelände mit Wandstufen und rutschigem Untergrund, das nur bis zu sieben Grad kalte Eiswasser, die starke Strömung und den hohen Sauerstoff-Anteil ohne jeden Auftrieb im Prinzip auch gefährlich. Allerdings wird jeder Einsatz mit einem ausgewogenen Risiko-Management abgearbeitet; das bedeutet, dass nie jemand alleine oder ungesichert ins Wasser geht und die Einsatzkräfte mit entsprechender Sicherheits- und Notfall-Ausrüstung ausgestattet sind, beispielsweise Neopren-Anzügen zum Wärme-Erhalt, Steinschlag-Helmen und lösbaren Gurten", erklärt Markus Leitner das Vorgehen.

Diese Ausrüstung haben die Urlauber, die an den Königsbachfall kommen, nicht dabei. Sie sehen die beeindruckende Natur und wollen ganz nah hin. Eine Tatsache, die bereits im vergangenen Jahr für Unmut gesorgt hat. Doch für Ulf Dworschak vom Nationalpark Berchtesgaden wäre eine Absperrung des Geländes keine Option. Man könne keine Wildbäche in den Alpen absperren, sagte er dem Radiosender Bayernwelle. „An dieser Stelle sind schon Schilder mit Hinweis auf Lebensgefahr“, so Dworschak. Die würden sich aber in erster Linie auf das Gehen im steilen Gelände beziehen.

Das Gehen im steilen Gelände hat den beiden jungen Männern nicht das Leben gekostet. "Die jungen Menschen haben nicht ahnen können, was sie in dem „tosenden Kessel mit dem besonderen Wasser“ erwarten würde", ist sich Dworschak sicher. Für ihn hat Unkenntnis zu dem tragischen Unfall geführt.

Egal was es war, was die beiden jungen Männer dazu gebracht hat, in den Gumpen zu steigen; der eine Moment von höchstem Glück in der Natur ist für sie zu tiefstem persönlichen Unglück geworden.

cz

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