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So weckt der Jaguar F-Type das Kind im Mann

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Jaguar F-Type
Auf dem Sprung: Der F-Type kann mit vielen Mitbewerbern in der Stärke mithalten, unterbietet sie aber teils deutlich im Preis © Jaguar

Ich geb’ dann mal Gas. Mit 495 PS auf dem Jakobsweg! Mann! Mit Pilgern hat das nichts zu tun! Vielleicht schon eher was mit Götzenanbetung.

In diesem Fall hört das Goldene Kalb auf den geheimnisvollen Namen F-Type, und in der Raubkatze aus England stecken echte Raubtiergene der Marke Jaguar. Der F-Type ist das wichtigste Auto der Briten seit 50 Jahren – und wir schnurrten mit der Katze, wie gesagt, zumindest Teile des Jakobsweges entlang.

Die Pilger hörten uns eher als sie uns sahen. Egal, ob im Sechs- oder im Achtzylinder-Kompressor-Motor, egal, ob im ersten Fall mit zentral unter dem Heck gelegenen Doppelauspuff oder im zweiteren mit dem in zwei Doppelrohre aufgeteilten Viererauspuff – die Klappen in den

Jaguar F-Type
Ausprobiert: Unser Autor Rudolf Bögel durfte den Jaguar bei einer Ausfahrt testen © Jaguar

Rohren sorgen für ein Brüllen, das man in der geschlossenen Ortschaft lieber abstellt (und mit einer speziellen Taste auch abstellen kann). Die Töpfe blubbern und gluckern beim Gasgeben mehr, als es jemals ein amerikanisches Muscle-Car getan hat, beim Runterschalten schießt ein an einen Raketenstart erinnerndes Geräusch aus den chromummantelten Rohren. Und das bei hohen Drehzahlen immer mehr anschwellende Trompetengeräusch erinnert am Ende an das Crescendo einer tollwütigen Blaskapelle.

So weit, so begeistert. Aber noch mal zurück zu den Anfängen. Die liegen nämlich in den 50er-Jahren, als Jaguar mit dem C-Type in die Rennen ging und 1951 sofort die 24 Stunden von Le Mans gewann. Nach dem hohen C, kam das D anno 1954 (ebenfalls eine Rennmaschine mit einer an eine Haiflosse erinnernden Riesenfinne auf dem Kofferraum), und dann betrat der E-Type 1961 in Genf die Bühne der automobilen Welt. Für viele ist er auch heutzutage noch das schönste Auto aller Zeiten: Seine majestätisch geschwungenen Kotflügel, seine fließenden Formen erinnern an das Gleiten eines Rochen und die lange Motorhaube wurde zum Markenzeichen des wohl edelsten briti­schen Roadsters aller Zeiten.

Jaguar F-Type

Kann also ein Jaguar je schöner sein als ein E-Type? Viel Ja und ein wenig Nein! Denn sein Nachfolger, der F-Type, ist zwar ein extrem charakterstarker Roadster aus dem 21. Jahrhundert, und sein Hinterteil zählt mit Sicherheit zu den schönsten Heckpartien, die jemals ersonnen, gezeichnet und auch gebaut wurden. Aber leider kann das Vorderteil mit der Hinterpartie nicht ganz mithalten. Das große Haifischmaul wirkt ein bisschen wie Maserati, die Leuchten erinnern an Mercedes. Ganz anders die Seitenlinie, die kühn mit einem nach oben geschwungenen Kotflügel (übrigens der höchste Punkt der Karosserie) in die Hinterpartie übergeht und deren Leuchten an das schmale Blinzeln einer Raubkatze erinnern. Die flachen Heckleuchten kommen übrigens in den Wagenfarben Weiß und Silber besonders gut zur Geltung.

Überhaupt gibt es wenig zu meckern am neuen Jaguar. Da zählt vielleicht noch die geringe Wertigkeit an manchen Stellen des Innenraumdesigns dazu (wer hat das graue Plastik hinter der Schalthebeleinfassung und an den seitlichen Armaturenbretteinfassungen genehmigt?), das überschaubare Instrumentendesign und die fehlende Verkehrszeichenerkennung.

Aber das war es dann auch schon. Widmen wir uns lieber den schönen Seiten des F-Types, die weitaus zahlreicher sind. Das fängt beim Preis an, der in der teuren Sportwagenwelt zwischen BMW Z4 und Porsche 911 angesiedelt ist. Das Basismodell mit 340 PS liegt bei 73.400 Euro, der vom Motor her mit 40 PS aufgepimpte Zwilling bei 84.900 Euro, und das Top-Modell mit seinen 495 Achtzylinder-PS bei knapp unter 100.000 Euro. Das ist laut Jaguar je nach Modell rund 25 Prozent billiger als der jeweilige vergleichbare 911er. Dafür bekommt man schon sehr viel Sportwagen mit zwei Sitzen (dahinter ist kein Platz mehr), einen Kofferraum, in dem sowohl ein Golfbag als auch ein deutscher Mineralwasserträger Platz haben sollte – und das Entscheidende: vor allem viel puren und reinen Fahrspaß. Die nackten Zahlen bei den Beschleunigungswerten können das wie immer nur unzulänglich ausdrücken. Der kleinste F mit immerhin 1,6 Tonnen Gewicht beschleunigt zum Beispiel in 5,3 (S in 4,9) Sekunden von 0 auf 100 Stundenkilometer, das Topmodell in nur 4,3 Sekunden (Drehmoment 625 Nm). Nur zur Veranschaulichung lesen Sie jetzt einmal langsam vor: Einundzwanzig-einundzwanzig-einundzwanzig-einundzwanzig-einundzwanzig-ein – dann sind Sie schon bei 100 km/h. Und das war nur das 340-PS-Modell. Und jetzt: Einundzwanzig-einundzwanzig-einundzwanzig-einundzwanzig-ein...!

Klingt nicht nach einem riesigen Unterschied, ist in der Realität dann aber das, was für Armstrong beim Mondausflug ein kleiner Schritt und für die Menschheit ein Riesensprung war. Es ist schon ein Hammer, mit dem Achtzylinder die Bergstrecken hochzujagen, vor allem wenn man das achtgängige Doppelkupplungsgetriebe an den goldenen Schaltwippen in Milli-Sekundenschnelle bedient. Da ist man bei Beschleunigung, Fahrdynamik und Straßenlage schon nahe am 911er dran. Aber auch der Sechszylinder hat Eigenschaften, die rennstreckentauglich sind. Davon kann sich jeder Neubesitzer eines Jaguar F-Types selbst überzeugen. Beim Erwerb gibt es einen Gutschein über eine ganztägige Trainingseinheit auf dem Nürburgring mit Nordschleife gratis dazu.

Jaguar E Type - eine Autolegende

Ebenfalls fein sind die vielen Spielereien, die den F-Type ausmachen. Zum Beispiel komplett versenkbare Türgriffe oder das Innenlichtdesign, das sowohl bei der Ambientebeleuchtung als auch beim Tacho auf Rot umschaltet, wenn der dynamische Fahrmodus mit individuell programmierbaren Lenk-, Gas- und Federungseinstellungen eingelegt ist. Warum die Lüftungsdüsen am oberen zentralen Armaturenbrett versenkbar sein müssen, weiß man nicht, aber es mag ein Stück Hightech sein, die dem Knaben im Mann so viel Spaß machen. So wie der Heckspoiler, der sich erst bei Tempo 96 ausklappt und für zusätzlichen Anpressdruck von 120 Kilogramm sorgt. Die Zahl 120 könnte übrigens aus der an 1000 und eine Nacht erinnernde Götzenanbetungswelt kommen. So viel soll nämlich ein ausgewachsener Jaguar wiegen.

RDF

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